Tag 4 - Lebensabschnittsgefährte in Not

Um 06:30 Uhr wurden wir wach - zur Freude der Mücken. Der Herr Lebensabschnittsgefährte machte draußen Kaffee, ich räumte das Auto fahrbereit und wir machten uns aus dem Staub.

Auf der E45 ging es weiter gen Norden. An der Abfahrt Tandsjöborg querte ein Reh die Fahrbahn - natürlich auch wieder zu schnell, um die Kamera zu zücken.

Rast am Fluss

Am Björnån legten wir eine Rast ein, um zu frühstücken. Hier waren zwar auch Mücken, aber nicht ganz so viele. Und so lange wir in Bewegung blieben, ging’s. Eine Familie aus Norwegen hatte ihr Zelt neben dem Rastplatz im Wald aufgestellt. Der Mann erzählte uns, dass zwischen Innen- und Außenzelt alles quasi schwarz war vor lauter Mücken, als sie morgens aufwachten. Nach dem Frühstück wuschen wir uns im Fluss und putzten Zähne. Dann machten wir uns wieder auf den Weg.

Auffällig war übrigens auch, dass hier sehr viele Leute mit sehr alten Autos durch die Gegend fuhren. Immer wieder begegneten uns Oldtimer auf der Straße. Und auch neben den Häusern sieht man viele alte Schätzchen rumstehen. Anscheinend sind alte Autos hier recht beliebt.

Hinter Sveg machten wir erneut eine kurze Rast. An einer Forsteinfahrt genehmigten wir uns ein zweites Frühstück und wechselten die Positionen. Das taten wir sowieso ziemlich häufig und regelmäßig.

Der Herr Lebensabschnittsgefährte erspähte kurz vor Årsana ein Rentier, das Bahngleise entlang lief. Aber auch das wieder zu spät zum Knipsen. Bei Rasta hingegen legten wir ganz bewusst einen Photostopp ein, denn da hatten wir einen tollen Blick auf den Hundshögen im Oviksfjäll.

Rastplatz Häggenas

Am Rastplatz Häggenas machten wir Mittagspause. Der Platz war asphaltiert und recht uninteressant für die Mückenwelt. Endlich konnte wir mal wieder halbwegs entspannt sitzen, kochen und essen.

Wieder sahen wir allerlei Getier entlang der Straße, Rentiere im Vorgarten, einen Fuchs im Grünstreifen neben der Fahrbahn. Und natürlich wieder ohne schussbereite Kamera.

Was wir außerdem extrem viel sahen, waren abgeholzte Baumplantagen, zerstörte Wälder und nicht enden wollende Stapel mit Baumstämmen, wofür die beiden Bilder oben nur symbolisch stehen. All dieses Holz wird nicht etwa für IKEA geschlagen, die beziehen ihr Holz nämlich aus Ländern im Osten. In Osteuropa, Nordrussland und China holzt IKEA die Wälder ab. Hier in Schweden wir das Holz zur Papierherstellung (in nicht unerheblichen Mengen kauft Deutschland hier Papier) und zum Heizen. Holzpellets sind das eine, teilweise werden die Bäume aber auch zur Stromerzeugung direkt verbrannt. Und weil Bäume nachwachsender Rohstoff sind, wird das sogar noch als klimaneutral verkauft.

See mit blauem Himmel

Auf dem nächsten Rastplatz wäre unsere Reise um ein Haar zuende gewesen. Ich war gefahren, der Lebensabschnittsgefährte schloss beim Aussteigen hinter sich die Beifahrertüre und wurde kurz darauf kreidebleich und sackte in sich zusammen. Ich führte ihn noch um das Auto herum, damit er wenigstens im Schatten lag - wenn auch im Dreck. Immerhin gab ich ihm ein Kissen, um das Haupt zu betten.

Kalter, klebriger Schweiß stand im auf seiner wachsartigen Haut. Kotzübel war ihm, kalt und schwindelig. Er hatte vergessen, den Daumen aus der Tür zu nehmen, als er selbige ins Schloss schmiss. Und die Tür war zu! Reflexartig riss er die Tür wieder auf und befreite seinen Daumen, bevor er zusammenbrach. Er hatte Glück, dass ich nicht verriegelt hatte. Der Daumen hatte weniger Glück. Im ersten Moment dachte ich, der sei gebrochen, da er ein wenig deformiert wirkte und sofort blau wurde.

Nachdem der Lebensabschnittsgefährte ein wenig im Schatten gelegen hatte, bildete er sich ein, dass es ihm nun wieder besser ging und er aufstehen könne. Ich stützte ihn, nur um drei Meter weiter zu verhindern, dass er auf den Asphalt donnert, stattdessen legte ich ihn kontrolliert dort ab. Und da lag er dann, mitten in der Sonne, mitten auf dem Rastplatz, notdürftig zugedeckt mit einer Sweatjacke.

In Gedanken ging ich schon durch, wie ich dem Gesprächspartner, der den Notruf entgegennehmen würde, auf Englisch erkläre, dass hier jemand mit Schocksymptomen nach eingeklemmten Daumen mitten auf dem Rastplatz … Ja, auf welchem eigentlich? Immerhin gab es ein Schild, wir waren in Meselefors.

Ich sorgte dafür, dass der Lebensabschnittsgefährte ansprechbar blieb. Auf dem Parkplatz war nichts los, ich war auf mich selbst gestellt. Ich war ein wenig besorgt, musste aber auch lachen ob der aberwitzigen Situation, die sich hier mal wieder eingestellt hatte. Außerdem musste ich relativ dringend zur Toilette, das war schließlich der Grund, warum wir hier überhaupt rausgefahren waren. Ach ja, und Kuchen wollten wir essen. Ob er den denn noch wolle, fragte ich den Lebensabschnittsgefährten. Meine Frage wurde positiv beschieden.

Die Aussicht auf Kuchen brachte ihn auch wieder auf die Beine, wenn auch etwas wackelig. Ich führte ihn bis zu einer Bank, wo er sich erneut hinlegte, von mir erneut mit Kissen und jetzt richtiger Decke versorgt wurde. Außerdem flößte ich ihm einen Schluck Wasser ein. Dann ging ich zur Toilette.

Nach einigen Minuten war er einigermaßen wiederhergestellt und konnte sich hinsetzen, dann auch aufstehen und ebenfalls zur Toilette gehen. Ich blieb sicherheitshalber vor der nicht abgeschlossenen Türe stehen, falls ihn sein Kreislauf vom Thron schubste.

Nachdem dieses Abenteuer endlich überstanden war, gab es erstmal Kuchen. Anschließend fuhr ich weiter, den Lebensabschnittsgefährten ließ ich an diesem Tag nicht mehr ans Steuer.

Rastplatz Meselefors

Dies war der Ort des Geschehens und hier ein Bild vom Daumen:

Blauer Daumennagel

In Sorsele übernachteten wir. Am Bahnhof gab es einen großen Bus- und Lkw-Parkplatz, auf den wir fuhren. Ein riesiger Schotterplatz erstreckte sich ziemlich weit nach hinten und wir fuhren fast bis ans Ende. Dort stellten wir den Ranger ab und machten uns fertig für die Nacht. Und dann begann das Elend …

Mücken! Hunderte von Mücken stürmten unseren Camper! Bisher hatten wir es mit Kriebelmücken zu tun, die sind ziemlich blöde und die Bisse tun ein wenig weh. Jetzt aber waren es Stechmücken und die waren wesentlich gerissener darin, jede, aber auch wirklich jede noch so kleine Lücke zu finden und ins Auto einzudringen. Bis 1 Uhr nachts hatten wir sicher Hunderte Mücken erschlagen und dann auch endlich alle Lücken an den Fenstern abgeklebt und an der Heckklappe mit Klamotten abgedichtet.

Wir waren zerstochen und fix und fertig, als wir in so etwas ähnliches wie Schlaf fielen …

Schweden ist scheiße!

Und zum Schluss wieder die Statistik: 614 Kilometer waren es an diesem Tag.

614 km