Tag 5: Vilnius und die Mitte Europas
Früh am Morgen scheint die Sonne. Ich glaube, wir sehen zum ersten Mal die Sonne über Litauen und können bestätigen: Der Himmel ist blau. Es gibt Kaffee und ich fange an zu bloggen.
Wir haben beschlossen, dass wir uns Zeit lassen. Die Stadt läuft uns nicht weg und andere Pläne haben wir heute nicht. Als ich mit meinem Blogbeitrag fertig bin, fliegt der Herr Lebensabschnittsgefährte die Drohne. Da er keine Lust hat, Schuhe anzuziehen etc. bleibt er im Camper sitzen, steuert die Drohne aus der Heckklappe heraus.
Da die Drohne im Inneren des Campers stets etwas konfus ist, wollte sie nicht landen. Also hat der Herr Lebensabschnittsgefährte sie aus der Luft gefangen.
Das Panorama, das sie von ihrem Flug mitgebracht hat, sieht toll aus. So viel Wald um uns herum!
Besonders hübsch finden wir, wie sich der Fluss durch den Schnee schlängelt.
Der Fluss oder Bach fließt auch direkt neben dem Parkplatz, auf dem wir stehen, vorbei.
In der Mittagszeit machen wir uns auf den Weg. Als wir anfangen, unsere Outdoorklamotten und Schuhe etc. anzuziehen, ziehen dunkle Wolken auf und binnen weniger Minuten ist um uns herum das wildeste Schneegestöber. Als ich ins Auto einsteige, sind mein Sitz und die Türe voller Schnee.
Kurze Zeit später haben wir wieder blauen Himmel. Das Wetter hat wohl schon April und gibt sich abwechslungsreich. Über Vilnius allerdings sehe ich eher dunkle Wolken.
An der Seite entdecke ich in einiger Entfernung ein Tier zwischen Bäumen, zu groß und zu dunkel für ein Reh. Vielleicht habe ich da den dritten Elche auf dieser Tour gesehen.
Es gibt hier Wegweiser mit seeehr langen Pfeilen.
Und es gibt hier Wegweiser mit klaren Botschaften.
Kurz nach ein Uhr sind wir in Vilnius und das erste, was ich sehe:
Eine Skyline im Wachsen, die gerne wie die von Frankfurt aussehen möchte. Wie gut, dass wir die Altstadt ansteuern, auf Hochhäuser habe ich gerade gar keine Lust.
Kurz darauf sehe ich - habe aber mal wieder keine Kamera zur Hand - Skilifte. Es handelt sich wohl um das Liepkalnis Winter Sports Centre. Sehr cool. Wer braucht schon Ischgl …
Wir parken unser Auto auf einer dafür vorgesehenen Fläche neben einem belebten Park. Auf dem Hügel wird eifrig gerodelt. Und es ist ziemlich viel los. Wir sind zunächst etwas irritiert, ob wir nun ein Parkticket benötigen oder nicht. Niemand hat eines in der Windschutzscheibe liegen, Neuankömmlinge gehen einfach weg und würdigen den Parkscheinautomat keines Blickes. Dann fällt mir endlich auf, dass auf den Schilder der Parkzone in römischen Ziffern I - VI, also 1 - 6 steht. Heute ist Sonntag, offensichtlich können wir kostenlos parken. Wir laufen los.
Als erstes landen wir in einer Gegend, die ein wenig schräg wirkt. Auf den ersten Blick denke ich, dass hier Künstler wohnen. Auf den zweiten Blick sieht es aber etwas zu teuer aus für Künstler. Das Internet hilft: Ganz früher lebten hier Juden, die aber im Holocaust ermordet wurden. Dann kamen Kriminelle, Obdachlose und Prostituierte, dann kam die litauische Unabhängigkeit und mit ihr die Künstler. Tja und dann kam die Gentrifizierung. So steht es im Wikpedia-Artikel über Užupis.
Ein Teil der Bilder entstanden erst auf dem Rückweg, der Übersicht wegen habe ich sie hier alle zusammengefasst.
Ich war schon lange nicht mehr in einer Großstadt. Die vielen Menschen, die vielen Autos und der Lärm überfordern mich etwas. Gleichzeitig gibt es so viele tolle Gebäude zu bewundern und zu knipsen.
Vilnius hat 50 Kirchen. Ich knipse keine Kirche wegen ihrer Bedeutung, sondern weil Kirchen oft wunderschöne Bauwerke sind. Vielleicht suche ich irgendwann mal die Namen heraus und ergänze den Beitrag. Jetzt aber nicht.
Ein Park tut sich vor uns auf. Und es gibt ein Hinweisschild auf ein WC. Das trifft sich gut, der Kaffee ist durch und die Ruhe im Park ist angenehm. Laut Google-Übersetzer steht auf dem Schild am Eingang: “Raum freundlicher Bewegung”. Ich vermute, dass die Übersetzung - wie so viele Übersetzung von Google - etwas holprig ist, aber ich denke, der Sinn stimmt einigermaßen.
Das Wetter wechselt zwischen wildem Schneegestöber und Blauem Himmel. Aber der täuscht, der allseits präsente eisige Wind ist auf den Bilder natürlich nicht zu sehen.
Und dieses Blau ist unglaublich blau!
Zu diesem Turm da oben wollen wir übrigens hinauf. Er hat auch einen Namen: Gediminas-Turm
Auf dem Weg dorthin kommen wir an diesem kleinen Kunstwerk vorbei, das an einem Gebäude in der Wand eingelassen ist.
Dann müssen wir durch einen weiteren Park. In dem steht diese Hunde-Bronze mit der Inschrift, dass der Litauische Jagdhund die einzige in Litauen gezüchtete Hunderasse sei.
Wir erreichen den Zugang zur Burg. Uff. Der steile Aufstieg passt aber ganz gut. Mir ist ein wenig kalt und auf dem Weg nach oben wird mir schon warm werden.
Schon auf halbem Weg nach oben entschädigte das Panorama für die Mühen des Aufstiegs. Und mittendrin das:
Sowjet-Brutalismus. Meine Güte. Laut Wikipedia gibt/gab es wohl einen privaten Investor, der das Ding ungenutzt verfallen lässt. Mittlerweile ist es in einem Zustand, in dem ich es so lasse würde - als Mahnmal oder so.
Oben auf der Burg angekommen knipsen wir erst einmal, was noch da ist. Das ist nicht viel. Dann genießen wir die Aussicht auf die Stadt, weswegen wir ja ebenfalls hier hoch geklettert sind.
Ich habe genug vom kalten Wind, der hier oben nochmal extra eisig bläst. Mir frieren Nase und Finger ab. Außerdem sind nicht alle Wege geräumt bzw. gestreut. Also gehen wir wieder hinunter.
Während ich noch die Kathedrale St. Stanislaus versuche halbwegs angemessen aufs Bild zu bekommen, sagt der Lebensabschnittsgefährte neben mir plötzlich: “Da drüben steht ein Panzer.”
Irgendetwas klingelt in den Windungen meines Gehirns. Ich hatte vor ein paar Tagen irgendwo gelesen, dass in irgendeiner osteuropäischen Hauptstadt ein zerstörter russischer Panzer vor der russischen Botschaft aufgestellt wurde. Als ein Zeichen der Ukrainer, dass sie ihr Land nicht aufgeben werden.
Während ich diesen Beitrag schreibe, lese ich, dass das in der Hauptstadt von Lettland der Fall ist. Dort steht das Gerät auch noch ein paar Tage, so dass wir diesen Punkt in die weitere Reiseplanung aufnehmen. Insgesamt gibt es vier dieser Panzer, drei in den Hauptstädten der Staaten des Baltikums und der vierte stand ein paar Tage in Berlin.
Der Panzer hier in Vilnius wird von litauischer Militärpolizei bewacht. Klar, man kann nicht einfach so einen Panzer einer Kriegspartei mitten in der Hauptstadt eines zunächst unbeteiligten Landes aufstellen. Und so ist auch sicher gestellt, dass niemand die Installation für unerwünschte Propagandazwecke missbraucht. Was ich Medienberichten entnehmen kann, haben die baltischen Staaten eine fürchterliche Angst davor, dass Russland mit ihnen dasselbe wie mit der Ukraine versuchen könnte. Und hier in Lettland herrscht auch immer noch der Ausnahmezustand. Der wirkt sich zwar nur im Grenzgebiet zu Kaliningrad aus (verschärfte Grenzkontrollen, Fahrzeuge dürfen gestoppt und durchsucht werden), aber immerhin.
Der Panzer sieht ziemlich kaputt aus. Leider kann ich ihn von der Seite nicht knipsen, zu viele Leute stehen im Weg.
Wir gehen weiter, durch enge Gassen und an schönen und nicht mehr so schönen Häusern vorbei. Wobei allerdings erstere überwiegen. Es ist kalt. Gerne hätte ich mir noch mehr angeschaut, aber uns zieht es zum Auto zurück. Die ganze Zeit war abwechselnd strahlend blauer Himmel und eisiger Wind mit Schneegestöber. Dieses Wetter und tagelanges Sightseeing kann auch sehr anstrengend sein, da braucht es auch mal eine Pause zwischendurch.
Hach, wenn sie doch nur nicht so unfassbar viele schöne Gebäude hier hätten! Wir sind nicht abgeneigt, uns mit einem “Bis zum nächsten Mal!” von Vilnius zu verabschieden.
Bevor wir die Stadt verlassen, hier noch die Vilnius-Galerie mit den tollen Photos des Herrn Lebensabschnittsgefährten:
Auf unserem Weg aus der Stadt fahren wir unter einer Brücke hindurch, die mit Krawatten dekoriert ist. Leider habe ich dazu nichts gefunden, aber das sind tatsächlich alles Krawatten und die sind auch mit Krawattenknoten dort befestigt.
Am Horizont braut sich Wetter zusammen. Als nächstes ist wieder etwas mit Rumlaufen im Wald geplant, da ist es nicht weiter verwunderlich, dass der so schöne blaue Himmel nun wieder zuzieht.
Die Straße ist gut ausgebaut und wir kommen zügig voran. Unser nächstes Ziel ist der geographische Mittelpunkt Europas. Also einer der geographischen Mittelpunkte Europas. Welcher es nun wirklich ist, ist mir egal. Ich nehme die Mittelpunkte, wie sie kommen. Wir waren ja auch schon am Mittelpunkt der EU auf unserer Rückfahrt von Pilsen (Tschechien). Da lagen der ehemaligen (mit GB) und aktuelle (ohne GB) quasi auf dem Weg nach Hause, das damals noch in Darmstadt war.
Der geographische Mittelpunkt Europas, der in Litauen liegt, befindet sich in der Nachbarschaft von einem Golfplatz auf einem Hügel. Ansonsten ist da nichts los.
Bestes Wetter für Gipfelstürmer!
Ein Weg ist nicht zu erkennen, lediglich ein Wegweiser unten an der Straße sagt, dass wir hier richtig sind. Wir müssen ein Gewässer überqueren. Der Herr Lebensabschnittsgefährte will da einfach drüber, ich will das auf keinen Fall. Eisflächen können sehr trügerisch sein. Ein Stück weiter finden wir einen kleinen Damm, über den klettern wir auf die andere Seite und dann durch tiefen Schnee einen Hügel hinauf.
Da isser. Und hier nochmal vom Lebensabschnittsgefährten geknipst:
Von der Windrose auf dem Boden ist vor lauter Schnee natürlich nichts zu sehen. Und auch sonst gibt es nichts zu sehen und ist nichts los. Auch das ist mehr so ein “Been there, done that”-Ding, von dem wir schon so viele gemacht haben.
Zurück im Camper gibt’s erstmal Tee mit Aussicht, Blogbeitrag schreiben und vor allem aufwärmen und Füße hochlegen. Ein anstrengender Tag liegt hinter uns. Und der Parkplatz, auf dem wir stehen, finden wir perfekt, um die kommende Nacht zu verbringen.
Zum Schluss wie immer die Statistik, der Kartenausschnitt und ein paar warme Worte zu Bewegtbildern.
64 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren.
Auf der Karte sieht das Fahren und unser Weg durch Vilnius so aus:
Bewegtbilder gibt es diesmal (noch) nicht, wir werden Reisevideos erstellen und bei YouTube hochladen, wenn wir wieder zuhause sind. Der Link wird dann hier eingefügt und in Social-Media-Kanälen veröffentlich.