Edersee-Atlantis
Seit einigen Tagen schon ist der Edersee mehr oder weniger regelmäßig in den Nachrichten, vor allem natürlich in den Lokalnachrichten beim Hessischen Rundfunk. Der Edersee ist ein Anfang des 20. Jahrhunderts künstlich angelegter Stausee, der den Mittellandkanal bei Niedrigwasser mit Wasser speist, um die Schifffahrt auch in extrem trockenen Sommern ganzjährig zu ermöglichen. So trocken wie der diesjährige war schon lange kein Sommer mehr, weswegen der Edersee einen extrem niedrigen Wasserstand hat. Hierdurch ist die alte Ederbrücke bei Asel wieder begehbar. Ein Spektakel, das wir uns aus der Nähe anschauen wollten; der Edersee bzw. die Sperrmauer stand ohnehin auf unserer Liste möglicher Ausflugsziele.
Unsere ursprüngliche Planung sah die Anreise mit dem Auto vor, da wir anschließend nach Viersen fahren wollten. Da Viersen aber in den nächsten Tagen zu uns kommt, haben wir diese Idee verworfen und sind stattdessen mit der Bahn und unseren Fahrrädern angereist.
Der Edersee ist mit der Bahn momentan überhaupt nicht zu erreichen. Die Wiedereröffnung der reaktivierten Strecke Korbach - Frankenberg der Kurhessenbahn ist am 14.09.2015. Daher entschieden wir uns, bis Wega zu fahren und dann an der Eder entlang mit den Rädern bis zur Sperrmauer.
Um 06:30 Uhr fuhr unser Zug in Darmstadt ab. Frühstück gab es wieder einmal im Zug. Und da wir entgegen unserer üblichen Gewohnheiten vergessen hatte, Spiele für die Fahrt mitzunehmen, kauften wir in Frankfurt in der Bahnhofsbuchhandlung noch Reisespiele, um uns die zwei Stunden Zeit bis Wabern, wo wir umsteigen mussten, zu vertreiben.
Von dort aus fuhr ein Dieseltriebzug auf eingleisiger Strecke nach Wega. Die Strecke verfügt über etliche unbeschrankte Bahnübergänge und vor jedem ertönt mehrmals die Hupe/Pfeife des Zuges. So tuckerten wir dröhnend und pfeifend durch die beschauliche Landschaft mit witzigen Ortsnamen.
Es gibt sogar noch ein Bahnhofsgebäude, das aber zwischenzeitlich einer anderweitigen Nutzung zugeführt wurde.
Das erste, was wir vom Ort zu sehen bekamen, war ein mehr schlecht als recht gemachtes Wortspiel.
Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten und unter Zuhilfenahme eines Einheimischen fanden wir endlich die Radroute und machten uns auf den Weg.
Wir mussten natürlich stehen bleiben und Photos machen, als wir zum ersten Mal den Fluss überquerten. Da wir uns unterhalb der Sperrmauer befanden, war hier noch ausreichend Wasser vorhanden.
Nach einer Weile kamen wir zum Kraftwerk in Affoldern. Dahinter lag der Affolderner See.
Dieses Kraftwerk steht auch noch auf unserer Liste mit möglichen Ausflugszielen, allerdings hatten wir für heute keine Besichtigung geplant.
Die ideale Kombination von Bahn- und Fahrradfahren: Fahrraddraisine. ;)
Kurz darauf waren wir endlich da, an der Edersee-Sperrmauer.
Bis hierher betrug die Strecke, die wir geradelt waren, knapp 19 km.
übrigens darf man die Stufen zum Fuß der Sperrmauer auf strompolizeiliche Anordnung nicht hinunter gehen.
Selbstverständlich gingen wir auch über die Sperrmauer auf die andere Seite.
Der Blick nach unten, auf die mit Wasser gefüllte abfließende Eder war mindestens genauso imposant wie der Blick auf den eigentlich riesig großen Stausee, der nur noch so wenig Wasser hat.
überall an den Seiten sind Treppenstufen, die zu den Pontons mit den Bootsanlegern führen.
Auf der anderen Seite des Sees gab es erst einmal eine Kleinigkeit zu Essen und natürlich noch mehr Photos von der Sperrmauer.
übrigens kann man in der Sperrmauer auch heiraten. Aber auch das hatten wir für diesen Tag nicht eingeplant. ;)
Ein Plätzchen an der Sonne mit Liegestuhl und Strandkorb bietet der See auch bei Niedrigwasser. :)
Wir fuhren los, ein Stück den See entlang, bis wir es uns anders überlegten und entschieden, wieder zurück auf die andere Seite zu laufen und lieber im Süden am See entlang zu fahren.
Durch den niedrigen Wasserstand fand ich den Radweg an vielen Stellen echt bedrohlich. Teilweise ging es etliche Meter steil bergab. Gleichzeitig war es aber auch immer wieder faszinierend, auf das fast leere Seebett zu blicken.
Witzig sahen auch die gelben Bojen aus, die überall herum lagen. Bei normalem Wasserstand markieren sie eben jene Erhöhungen für die Schifffahrt. Und auch von Weitem sah die Sperrmauer sehr beeindruckend aus.
Wir radelten weiter, eigentlich ohne konkretes Ziel. Denn die ursprüngliche Planung war, zum See zu fahren, Sperrmauer und Atlantis zu betrachten und dann wieder zum Bahnhof zurück zu fahren. Es widerstrebte mir aber, heim zu fahren, ohne die aus dem Fernsehen bekannte Brücke gesehen zu haben. Zwischendurch überkamen mich allerdings Zweifel, ob wir nicht vielleicht das Edersee-Atlantis übersehen hatten, denn wir radelten und radelten ohne einen Hauch von Atlantis zu sehen. Nach einer Weile machten wir halt, hungrig und durstig. Ich sah an meinem Lebensabschnittsgefährten vorbei durch die Blätter von ein paar Bäumen und amüsierte mich über die Völkerwanderungen, die da im ausgetrockneten Seebett, dem man mittlerweile sehr deutlich seine Wurzeln als Fluss ansah, stattfanden.
Das wollte ich mir aus der Nähe ansehen und drängte den Lebensabschnittsgefährten darauf, dass wir dort hinunter gingen. Und dann war es so weit, wir hatten Atlantis gefunden! ;)
Selbstverständlich wollte ich auch die Brücke überqueren! Also stürzten wir uns ins Getümmel, vorbei an der Boje, die die Position der Brücke markiert.
Das Gefühl, über eine Brücke ohne Geländer zu gehen, ist für einen durchschnittlichen Stadtmenschen eigenartig. ;)
Am Parkplatz bei der Brücke fand ich folgendes Schild:
"Don't pay the ferryman until he get's you to the other side!" Und da es derzeit keinen Fährmann gibt, darf man wohl davon ausgehen, dass der Parkplatz momentan kostenlos ist. ;)
Unser eigentliches Ziel hatten wir jetzt erreicht. Mittlerweile waren wir so weit gefahren, dass der Weg zurück länger gewesen wäre, als weiterzufahren. Daher folgten wir dem Radweg weiter Richtung Herzhausen.
Der Radweg war größtenteils ein Schotterweg, der durch den Wald führte. So lange wir am See entlang fuhren, war das auch weiter kein Problem. Zwar sind diese Schotterwege etwas anstrengender zu fahren als Asphalt - jedenfalls mit meinem Tourenrad aus dem unteren Preissegment - aber dafür ist es ganz angenehm und landschaftlich reizvoll. Unseren letzten Halt machten wir am NationalparkZentrum Kellerwald, wo wir unsere Trinkflaschen wieder auffüllten.
Als wir den See hinter uns gelassen hatten, wurden die Schotterwege allerdings zur Tortur. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir um eine Kurve fuhren und sich vor uns eine steile Steigung auftat. Auch wurden die Wege schlechter. Und außerdem war ich nach nunmehr 50 km ziemlich fertig. Zudem hatte ich am Donnerstag einen Infusionstermin und im Nachhinein betrachtet, war es ziemlich idiotisch, eine solche Tour kurz nach der Infusion zu planen. Allerdings ging es mir am Freitag verhältnismäßig gut, so dass ich gar nicht daran gedacht habe, dass es mir zuviel werden könnte. Die meisten Steigungen schob ich das Fahrrad hinauf, teilweise schaffte ich selbst das kaum noch und der Lebensabschnittsgefährte schob beide Fahrräder. Irgendwann wurde es mir zuviel mit den beschissenen Bergen und ich sprang beim Anblick der x-ten Steigung fluchend und schimpfend vom Fahrrad, um gleich darauf heulend zusammenzuklappen. Ich heulte mich ein paar Minuten aus, stärkte mich mit Traubenzucker und einem Schluck Wasser und strampelte dann entschlossen weiter. Erinnerlich war es die vorletzte Steigung, dann wurde der Weg angenehmer, halbwegs eben und vor allem ordentlich asphaltiert.
Ich schöpfte neue Hoffnung und strampelte tapfer weiter auf Frankenberg zu. Und irgendwann war es endlich soweit, wir erblickten die Skyline von Frankenberg!
Wunderschön! An einer Straßenkreuzung im Ort blieben wir im Schatten stehen, um uns mit Hilfe unserer Smartphones zu informieren, wann der nächste Zug fuhr und wo wir vorher noch etwas Reiseproviant kaufen konnten. Unser Weg dorthin führte über eine Eisenbahnbrücke. Mir war ziemlich mulmig, als ich drüber fuhr.
Vorsichtshalber befragten wir unterwegs eine Einheimische, ob wir noch auf dem richtigen Weg seien. Und ja, wir kamen an ein Einkaufszentrum mit einem Supermarkt, wo wir Getränke und Abendbrot besorgten. Direkt dahinter war der Bahnhof. Da wir immer noch eine halbe Stunde Zeit hatten, aßen wir auf dem Bahnsteig - auf dem Boden sitzend, weil die einzige Sitzgelegenheit bereits besetzt war.
Bis Marburg fuhren wir wieder mit einem Dieseltriebwagen ratternd und pfeifend durch die Gegend. Ein weiteres Mal mussten wir dann noch in Frankfurt umsteigen und um halb Zehn waren wir endlich da, sehr zur Freude der halbverhungerten Katze. ;)
Leider ist mein Tacho kaputt gegangen. Ich kann nicht mehr zwischen den verschiedenen Anzeigen wechseln und ihn auch nicht mehr zurücksetzen. Daher gibt es hier nur die Gesamt-KM-Zahl. Und vor der nächsten Tour muss ich das gute Stück reklamieren gehen.