Noch ein Geburtstagstrip

Als wir neulich beim darkinchen waren, um den Geburtstag des Lebensabschnittsgefährten zu feiern, kam uns die Idee zum heutigen Trip. Frau Bei-uns-in-Fischeln feiert heute einen runden Geburtstag. Eigentlich war ja keine Reise geplant und normalerweise ließe sich das auch nicht mit den Arbeitszeiten des Herrn Lebensabschnittsgefährten vereinbaren. Aber wie es eine glückliche Fügung will, muss der heute nach Essen reisen. Und ich bin dank Home-Office ja ohnehin hoch flexibel. So beschlossen wir, dass der Herr Lebensabschnittsgefährte auf seiner Reise einen Zwischenhalt in Krefeld einlegt und ich am heutigen Tag noch wieder zurück fahre. Gesagt, getan, beschlossen, gebucht.

Bahnhof Darmstadt

Entgegen sonstiger Gewohnheiten mussten wir dafür nicht in Allerherrgottsfrühe aufstehen. Unser Zug fuhr erst um 12:30 Uhr. Am Vormittag arbeiteten wir beide im Home-Office, um 11:40 machten wir uns auf den Weg zur Tram. Unser Weg führte uns über Frankfurt und Düsseldorf nach Krefeld. Auf der Fahrt nach Frankfurt gab es erst einmal ein kleines Mittagessen im Zug.

Mittagessen im Zug

In Frankfurt stiegen wir in den ICE um, nachdem ich mir am Bahnsteig noch einen Kaffee geholt hatte. Ich hatte mein Tablet dabei und wir spielten Carcassonne auf selbigem. Vor uns saßen zwei Tussis, die sich unglaublich toll vorkamen. Offensichtlich waren das irgendwelche Groupies, ständig unterwegs zu Konzerten, die die gesamte Strecke darüber schwadronierten, wie toll das Treffen mit XY in Z war, wie niedlich doch diese oder jene Geste im Musik-Video des Angebeteten sei, das gerade auf dem Handy lief, und wie dumm doch die 14-jährigen Möchtegern-Fans seien, von denen man sich dieses und jenes nicht sagen ließe, weil man selbst ja schon so viel älter sei und so viel mehr Ahnung habe. Mir wurde übel - ob von der Geschwindigkeit oder dem Geschwurbel in der Sitzreihe vor mir, lasse ich mal dahingestellt ...

Kurz bevor wir in Düsseldorf angekommen waren, wo wir in die NWB nach Krefeld umsteigen sollten, wollten wir nachsehen, aus welchem Gleis die abfuhr. Auf dem Ticket war kein Gleis angegeben und auf der Buchungsseite der Bahn tauchte der Zug überhaupt nicht auf. In der DB-App auf dem Handy war der wenig hilfreiche Hinweis "null".

null

Wir fragten die Zugbegleiterin, die des Weges kam. Sie tippte in ihrem Handy herum und erklärte uns, dass die NWB nicht ab Düsseldorf, sondern ab Duisburg fahren würde. Allerdings würde die dort abfahren, bevor wir dort angekommen wären. Ganz toll. Wir entschieden, trotzdem in Düsseldorf auszusteigen. Irgendeine Verbindung im Regionalverkehr gibt es zwischen Düsseldorf und Krefeld ja immer. Am Bahnsteig befragte ich die Online-Fahrplanauskunft und die teilte mir mit, dass die beste Verbindung mit "unserem" ICE nach Duisburg und von dort mit dem RE nach Krefeld wäre. Wir liefen zur Zugbegleiterin, die die Türen des ICE schon geschlossen hatte und nur noch selbst einsteigen musste. Ich sagte ihr, dass laut App der Weg mit ihrem Zug der beste sei und sie meinte lachend: "Dann steigen sie mal ein, wir fahren jetzt los!" Später fand ich auf der Webseite der NWB übrigens den Hinweis, was das Problem war: Bauarbeiten.

Screenshot NWB

Im Zug kassierte die Zugbegleiterin von einem Fahrgast, der keine Fahrkarte hatte, das Ticket ab. Dann kam ein Typ, der ziemlich runtergekommen aussah, alte Plastiktüten bei sich hatte, ganz offensichtlich ein Flaschensammler ist und ein dickes Portemonaie zückte, aus dem er die BahnCard 100 vorzeigte. Ich dachte, ich seh nicht richtig. "Hast du das gesehen, Schatz", raunte ich dem Lebensabschnittsgefährten zu, als der Typ außer Hörweite war, "Der hat 'ne BahnCard 100! Wie kann der sich eine BahnCard 100 leisten und ich nicht!" Ich musste dabei lachen, war überrascht und amüsiert zugleich. Eine Lehrbuchlektion in Sachen "Never judge a book by its cover"! Die Zugbegleiterin, die unfreiwillig Zeugin wurde, erklärte uns, dass das gar nicht so selten sei. Viele der Flaschensammler, die in den Fernzügen unterwegs seien, hätten BahnCards 100. Manche würden die wohl auch von der Familie geschenkt bekommen, quasi als Ablassbrief, der das schlechte Gewissen beruhigt. Sie hätte auch schon öfter einen kontrolliert, der eine BahnCard 100 für die 1. Klasse besitzt. Das Teil kostet fast 7.400 Euro! Dann erwähnte sie noch einen, der in ganz Deutschland bekannt sei und den Spitznamen Karate Kid hätte. Als sie anfing, ihn zu beschreiben, wusste sogar ich, wen sie meinte, denn den habe ich auch schon zweimal in einem Zug gesehen. Die Eisenbahnwelt ist ein kurioses Dorf.

In Duisburg stiegen wir in die Regionalbahn um. In der Zwischenzeit hatte ich dem darkinchen geschrieben, dass wir etwa 15 Minuten später in Krefeld ankommen würden. Sie holte uns nämlich am Bahnhof ab. Ihren Nachwuchs hatte sie auch dabei und so fuhren wir zu viert nach Fischeln. Der Freund des darkinchens war leider nicht mit von der Partie, da er derzeit zu viel Stress auf der Arbeit hat. Wir besorgten noch ein Blümchen, dann standen wir auch schon vor der Fischelner Haustüre.

Tja, was soll ich sagen, das Geburtstagskind war ... halbnackt. Die war nämlich zuvor noch in der Badewanne gewesen und gerade dabei, sich anzuziehen. Und sie war mächtig erstaunt und erfreut, dass wir vor der Tür standen. Sie zog sich schnell an, gab mir einen Kaffee und ging dann noch einmal nach oben, um sich fertig zu machen, während wir im Wohnzimmer das Kind aus dem MaxiCosi auspackten, Kaffee tranken und in Ruhe ankamen.

Wir halfen der Hausherrin ein wenig beim dekorieren, wobei ich wieder einmal meinem Ruf als Dekoqueen alle Ehre machte. Man drückte mir künstliche Blumen, stilisierte übergroße Knöpfe und auf kleine Holzwäscheklammern geklebte kleine Holzfrösche in die Hand mit der Aufforderung, diese doch "irgendwie nett" zu drapieren. Ich war restlos überfordert. Das darkinchen befreite mich aus der misslichen Lage und übernahm den Job für mich. Ich kümmerte mich wieder um meinen Kaffee, damit kenne ich mich wenigstens aus.

Wir setzten uns gemeinsam auf die Terrasse. Petrus hatte ein Einsehen und hat dem Geburtstagskind strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel beschert. Die eigentliche Feier sollte ja erst um 17 Uhr losgehen, aber für uns hätte sich das dann gar nicht mehr gelohnt. Und eigentlich fanden wir alle es ganz angenehm, schon ein wenig früher da zu sein als die übrigen Gäste und noch ein paar Minuten zusammensitzen zu können. Nach und nach trudelten die Gäste ein. Die meisten kannte ich wohl, wenn auch mein miserables Personengedächtnis nicht wirklich viel mit den ganzen Gesichtern anfangen konnte. Selbst die ehemalige Stallkollegin, die auch zu Besuch kam, hätte ich auf der Straße vermutlich nicht erkannt. Alles in allem war es ganz nett. Da wir ja beide noch eine längere Reise vor uns hatten, gehörten wir zu den ersten, die wieder gegangen sind. Das darkinchen fuhr mit seinem Ableger zurück in die Zuckerrübensteppe und der Lebensabschnittsgefährte und ich wurden vom Hanni-Bunni zum Bahnhof gefahren. Irgendwie ist das schon strange, wenn man sich plötzlich auf der Rückbank im Auto eines Mädchens wiederfindet, dass einem "neulich" erst noch Gummibärchen aus dreckigen Kinderhänden geschenkt hat. Sie werden ja doch recht schnell groß und man kennt sich nun schon seit fast 13 Jahren.

Bahnhof Krefeld

Am Bahnhof mussten wir noch ein wenig auf unsere Züge warten. Der Krefelder Bahnhof macht abends noch weniger Spaß als tagsüber. Ich war ganz froh, dass ich nicht alleine war. Wir liefen ein wenig unentschlossen herum, knipsten den Bahnhof von außen (dekorativ ist er ja), dann gingen wir zu dem Bahnsteig, von dem mein Zug abfahren sollte. Mein Zug fuhr sieben Minuten vor dem des Herrn Lebensabschnittsgefährten. Kurz bevor der Zug kam, ging der dann rüber zu seinem Gleis. Es fühlte sich im höchsten Maße merkwürdig an, dass wir ab Krefeld mit verschiedenen Zügen losfuhren. Aber er musste nunmal zu seiner Fortbildung nach Essen und ich war dieses Mal nicht mit von der Partie.

Gegenüberliegendes Gleis Krefeld Hbf

Bis Köln schrieb ich an diesem Text hier. Dabei war ich so vertieft, dass ich um ein Haar zu weit gefahren wäre. Hektisch klappte ich das Tablet zu und sprang aus dem Zug. In Köln fiel mir erst als ich am ICE angekommen war auf, dass ich gar nicht nachgeschaut hatte, zu welchem Gleis ich muss, sondern mir nur die Nummer des ICE gemerkt hatte. Ich glaube, ich bin schon zu oft von Köln nach Frankfurt gefahren. Im ICE nach Frankfurt setzte ich mein Tippen fort und arbeitete auch noch ein wenig an anderen Blogbeiträgen, die hier halb erledigt auf der Festplatte herumliegen. Unglücklicherweise waren wir pünktlich in Frankfurt am Main angekommen. Ein wenig Verspätung hätte mich nicht gestört, da ich fast 40 Minuten auf meinen Anschlusszug warten musste. Nachdem ich zweimal von irgendwelchen zwielichtigen und merkwürdigen Typen angequatscht wurde, vertrieb ich mir die Zeit lieber mit Herumstöbern in der Bahnhofsbuchhandlung. Diese schloss um 23 Uhr und kurz darauf fuhr auch mein ICE ein.

ICE Frankfurt Hbf

Das ist, so glaube ich, der dreckigste und schäbigste ICE mit dem ich jemals gefahren bin. Ich finde diese Schmierfinken abartig, die alles mit ihren hässlichen Tags einsauen. Nun denn, besser schlecht gefahren als gut gelaufen und im Inneren war der Zug nicht zu beanstanden. Um 23:25 Uhr kam ich pünktlich in Darmstadt an. 11 Minuten später fuhr meine Tram nach Hause. In dieser saß bedauerlicherweise ein volltrunkener alter Mann, dem seine Bierflasche in einer Kurve aus der Hand fiel. Dabei ergoss sich der Inhalt der Flasche auf den Boden der Straßenbahn und schwappte bei jeder Kurve hin und her. Es stank fürchterlich.

Der Typ stieg auch noch an derselben Haltestelle aus wie ich. Kaum hatte er die Bahn verlassen, fing er an, lauthals rumzulamentieren. Was er sagte, verstand ich nicht. Ich nahm die Beine in die Hand, lief vorne um die Tram herum und verschwand joggenderweise in der Gasse gegenüber, meinem Heimweg. Ich war um die Ecke, bevor die Bahn vorbeigefahren war, so dass der Typ nicht sehen konnte, in welche Richtung ich verschwunden war. So etwas konnte ich mitten in der Nacht noch weniger gebrauchen als tagsüber.

Zwei Minuten vor Mitternacht war ich zuhause, ziemlich müde und ziemlich überdreht. Ich räumte meinen Rucksack leer, legte mich ins Bett und daddelte noch auf dem Smartphone herum. Ich war ja ganz alleine, der Lebensabschnittsgefährte weit weg und unser Tigerkatzitatzi weilt nicht mehr unter uns. Gegen 1 Uhr schlief ich endlich ein.