Teil 1 - Von Rostock zur finnischen Grenze

Tag 1 - Mit der Fähre nach Schweden

Mittwoch, 23. Juni 2021

Wir hatten die Überfahrt bei TT-Line gebucht, da die zu diesem Zeitpunkt die für uns günstigsten Abfahrtszeiten boten. Mittwochmittag ging es los.

Unser Camperausbau war noch nicht ganz fertig, weswegen ziemlich viel Werkzeug und Holz mit an Bord war. Am Nachmittag zuvor hatten wir noch ein paar Bretter und Leisten passend geschnitten, die wir in den ersten Tagen komplett einbauen wollten. Um 10 Uhr mussten wir zum Corona-Schnelltest in die Apotheke. Der Test ist für die Einreise nach Schweden vorgeschrieben. Der Ablauf war schnell und gut strukturiert, das Testergebnis wie erwartet negativ.

Und dann unser Gepäck … Beim Einräumen fühlte es sich zeitweise an, als würden wir umziehen. Und auf eine Art taten wir das ja auch. Meine Balkontomate gab ich zusammen mit dem Schlüssel den Nachbarn in Obhut. Unsere Post wird die nächsten zwei Monate gelagert werden. Wertsachen sind aus der Wohnung entfernt. Das Hardtop war vollgestopft, es konnte losgehen. Am 23. Juni um 12:43 Uhr machten wir uns auf den Weg in den Norden.

Das Schiff hatte ein wenig Verspätung und wir mussten warten. Zwar sieht der Parkplatz etwas voll aus, aber das ist nichts im Vergleich zu üblichen Abfahrten in der Feriensaison. Allerdings haben bisher auch noch nicht so viele Bundesländer Sommerferien.

Die Westmole ist aufgrund von Renovierungsarbeiten derzeit verhüllt. Zusammen mit dem grau verhangenen Himmel wirkt die ganze Stimmung etwas trüb. Allzuweit hergeholt ist der Eindruck aber auch nicht, denn auch unsere Stimmung war eher genervt und gestresst. Die Situation an Bord war einer Pandemie alles andere als angemessen. Auf dem Sonnendeck war es windig und kühl, aber wenigstens trocken und nur schwach bevölkert. Wir setzten uns in den Windschatten eines Aufbaus und verbrachten die Überfahrt dort.

Zweimal gingen wir in die unteren Decks, Toilettengang und Futterbeschaffung. Zwar trugen mittlerweile die meisten Leute, die rumliefen, eine Maske, aber überall saßen Menschen dicht gedrängt auf Stühlen und Bänken ohne irgendeinen Schutz. Sollte sich die Pandemie im Spätsommer/Herbst in Deutschland wieder ausbreiten, braucht sich echt keiner zu wundern. Ganz praktisch sind diese Plastikteile, die sie auf den Türklinken der Toiletten haben. Mit deren Hilfe muss man die Klinke nicht anfassen, sondern kann die Türe mit dem Arm öffnen. Das habe ich so auch noch nirgendwo gesehen.

Die See war ruhig und wir hatten 15 Minuten Verspätung wieder aufgeholt, als wir in Trelleborg angekommen waren. Die befreundete Erzgebirgerin hatte unsere Ankunft via Webcam verfolgt und sogar aufgenommen. Sehr cool! Die Aufnahme wird dann im Video auf YouTube zu sehen sein.

Wir hatten schon vor Abreise beschlossen, dass wir an diesem Tag nicht mehr allzu weit fahren wollten. An der Straße 108 Richtung Norden liegt der Rastplatz Bökeberg, der ein wenig versteckt ist. Der Platz ist wirklich sehr schön. Leider sind auch die ortsansässigen Mücken dieser Meinung, weswegen wir nach dem Abendessen direkt in den Camper gingen und die Schotten dicht machten.

Abends kamen kurz noch ein paar Jugendliche auf Mopeds vorbei, die wohl ganz gerne Driften üben und auf dem Schotter Kringel drehen. Da wir aber ein wenig im Weg waren und sie nicht ungestört waren, zogen sie recht bald wieder ab. In der Ferne hörte man sie noch an einer anderen Stelle Kringel drehen, aber auch das verstummte schnell.

Sonnenuntergang am Rastplatz

Wir schliefen ziemlich bald ein, die letzten Tage vor Abfahrt waren extrem anstrengend.

Zum Abschluss die Statistik und die Route. 35 Kilometer sind wir an diesem Tag (selbst) gefahren. Die Route als Screenshot, der GPX-Track unserer Fahrt durch Schweden ist am Ende des Beitrags.

Tag 2 - Durch Südschweden

Donnerstag, 24. Juni 2021

Um 06:15 Uhr klingelt der Wecker - wie jeden Morgen. “Irgend jemand” hat wohl vergessen, den abzustellen … Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hat ein Achtbein meinen Bert besetzt!

Spinne am Auto

Unser Auto muss dringend auf- und umgeräumt werden, wir finden nichts! Ich, hauptberuflicher Ordnungsfanatiker, bekomme schon am ersten Morgen eine mittelschwere Krise und mit erheblicher Verspätung einen Kaffee. Danach geht’s und wir fahren sofort los. Unser Plan sieht vor, an einem Rasthof einen Stopp einzulegen und dort auch zu duschen. Die Webseite einer örtlichen Tankestellen-Kette gibt Auskunft, welche Stationen über eine Dusche verfügen.

Wir fahren die 108 bis Staffanstorp, wo wir uns ein wenig verfahren und dadurch unfreiwillig den Ort gesehen haben. Jemand fegt den Rasen mit einem dieser rotborstigen Straßenbesen. Die Schweden sind ein seltsames Volk. Aber immerhin finden wir die E22. Wir wollen möglichst schnell Richtung Norden kommen.

Ein vollbesetzer Bus samt entsprechender Haltestellen an der Autobahn, ist für einen Deutschen ja schon ungewöhnlich genug. Die Schweden sind wirklich ein seltsames Volk. Nach 1,5 Jahren Pandemie setzen sie noch einen drauf, indem der vollbesetzte Bus fast komplett maskenfrei ist. Lediglich ein einziger Fahrgast war maskiert. Eventuell bekommen die hier nochmal ein Problem, wenn die Delta-Variante übers Land rollt. Ich für meinen Teil brauche jedenfalls noch ein wenig, mich an diesen Anblick wieder zu gewöhnen. Der Mensch ist halt Gewohnheitstier.

Wir wechseln auf die 13 Richtung Höör. Der Herr Lebensabschnittsgefährte fährt und fährt und fährt und fährt am Abzweig vorbei. Auch so ein neues Ding, an das wir uns erst noch gewöhnen müssen: Fahren ohne Navigationsgerät. Niemand, der einem ständig vorquakt, wo man sich einordnen soll und wann man abbiegen muss. Mitdenken ist gefragt und das muss erst wieder antrainiert werden. Für unsere Fahrzeug-Variante gibt es kein Navi ab Werk und außerdem fahren wir im Urlaub gerne nach Karte.

So bleibt es ein Weilchen unbemerkt, dass wir den Abzweig verpasst haben. Im dicht besiedelten Süden des Landes mit ebenso dichtem Straßennetz ist das nicht weiter tragisch, wir kommen auch so auf die 23.

Am Parkplatz Osby ist besagte Tankstellen-Station mit Dusche. Der Herr Lebensabschnittsgefährte geht auch duschen. Aber da er den Hinweis erhalten hat, dass diese Einrichtung eigentlich den Fernfahrern vorbehalten ist, ist mir die Lust auf die Dusche ja schon wieder vergangen und ich verzichte. Stattdessen räume ich den Camper auf.

Drei Stunden dauert unsere Rast hier insgesamt, dann geht es auf der 23 weiter gen Norden. Mir ist übel und ich bin müde, der Stress hat mich. Daher fahre ich an diesem Tag auch nicht. Ich knipse auch nicht viel. Eigentlich mache ich überhaupt nichts weiter, als auf dem Beifahrersitz vor mich hin zu vegetieren.

Wir nehmen die 124, um auf die E4 zu kommen. Bei Tannö fahren wir runter und machen uns auf Parkplatzsuche. Nach einer kurzen Rast fahren wir kleinere, enge Straßen. Jeder grüßt uns hier, selbst ein Mädchen auf einem Pferd winkt uns zu. Das bessert meine Laune schlagartig.

Während einer kurzen Rast stellen wir fest, dass wir unterwegs einen blinden Passagier dazugewonnen haben. Und leider auch, dass Bert schon seinen ersten Lackschaden hat. Allerdings ist der Kratzer nur auf der Kunststoffstoßstange, nicht auf dem Blech. Daher ist das ein reiner Schönheitsfehler und nichts Dramatisches.

Wir durchqueren Värnamo und fahren zurück auf die E4 bis Jonköping, wo wir auf die 195 wechseln, um am Vättern entlang zu fahren.

Bei Fagerhult soll es einen 4x4-Stellplatz mitten im Wald geben, den wir suchen. Über Schotter- und Sandpisten mit engen Spitzkurven finden wir den Platz auch. Hier passen mehrere Camper hin, allerdings ist alles voll und alles voller Deutscher. Wir kehren wieder um und fahren die 195 etwas weiter über Waldwege bis Tidaholm, wo wir auf dem Campingplatz unser Lager für die Nacht aufschlagen.

Zunächst benötige ich dringend eine Dusche! Und das Auto eigentlich auch, aber dafür ist jetzt keine Gelegenheit, was sehr bedauerlich ist.

Die Dusche wirkt wunder und ich bin wieder fit. Der Campingplatz ist sehr schön, wenig besucht, sauber und ruhig. Es gibt sogar einen kleinen Anleger, um mit Kajaks ins Wasser zu gehen. Wir haben unsere zwar auch dabei, aber das ist uns jetzt doch zu aufwändig, außerdem haben wir noch anders zu tun.

Wir bauen noch ein wenig an unserem Camper weiter, schrauben die Blende beim Küchenschrank vorne dran und befestigen noch ein paar Bretter und Leisten, die für die Stabilität der Möbel nicht wichtig sind, sondern unseren Kram davon abhalten sollen, während der Fahrt wahllos im Auto umher zu wandern. Viel Elan haben wir allerdings nicht mehr. Wir gehen wieder früh zu Bett.

Statt Sonnenuntergang gibt es heute noch ein paar Tierbilder, die der Herr Lebensabschnittsgefährte geknipst hat.

Zum Schluss noch die Statistik: 392 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren. Die Route als Screenshot, der GPX-Track unserer Fahrt durch Schweden ist am Ende des Beitrags.

Tag 3 - Unser 10 Jähriges feiern wir mit Trilliarden von Kriebelmücken

Freitag, 25. Juni 2021

Frisch geduscht und halbwegs sortiert hatten wir schon viel besser geschlafen. Auch waren auf dem Campingplatz nicht so viele Mücken wie beim Stellplatz im Wald. Gut gelaunt machten wir uns morgens auf den Weg, noch bevor die anderen Campingplatzgäste überhaupt wach waren. Allerdings war von dem Betreibern auch noch niemand da und wir wussten nicht, wo wir die Schlüsselkarten für die Duschen lassen sollten. Daher mussten wir erstmal telephonieren, um einen Ablageort zu vereinbaren.

Auf schwedischen Straßen unterwegs

Wir fuhren die 26 bis Mariestadt, dann die E20 bis Hora, um dort wieder auf die E26 Richtung Norden zu fahren.

Am Götakanal legten wir einen Stopp ein. Auf dem Kanal fahren noch alte Schiffe für Touristen im Sommer, zumindest in “normalen” Sommern, wenn viele Touristen da sind. Entlang des Kanals verläuft auch ein Radweg. Wir machten ein paar Photos und fuhren weiter.

In Storfors haben wir erstmals getankt. 1,67 € kostete der Liter Diesel. Wir nahmen im Camper noch einen Snack zu uns und fuhren weiter die 26 entlang. Während ich mit dem Smartphone beschäftigt war, legte der Lebensabschnittsgefährte eine Vollbremsung ein. Ein Kaninchen kreuzte die Fahrbahn und sollte nicht unter den Reifen von Bert enden!

Kurz darauf traute ich meinen Augen kaum! In einer hohen Wiese rechts der Straße glänzte der große dunkelbraune Körper eines stattlichen Elches in der Sonne! Die schwedische Fauna meinte es gut mit uns an diesem Tag. Allerdings ging das alles viel zu schnell, um auch nur irgendwas davon knipsen zu können. Aber ein Elch, ich hatte einen Elch gesehen! Und was für ein tolles Tier! Hach, ich war ganz hin und weg.

An der E45 hielten wir in Mora. Wir mussten einkaufen, uns ging das Brot aus. Der Herr Lebensabschnittsgefährte holte sich ein Bier dazu. Immerhin war an diesem Tag unser 10-jähriges Jubiläum. Mehr als Brot und Bier war an Romantik allerdings nicht drin. Wir hatten unser Etappenziel erreicht, nämlich unser 10-Jähriges in Skandinavien zu verbringen! Daher auch die Eile, mit dem halbfertigen Camper abzureisen.

Natürlich ist auch der Frosch auf unserer Reise dabei. Und seit einigen Monaten hat er einen Kumpel, den Papageitaucher Lundi, den die Schwäbin für mich gemacht hat. Leider passen die beiden nicht vorne in die Fahrerkabine, weswegen sie hinten reisen müssen. So lange es so warm ist, lassen wir dabei auch die Fenster vom Hardtop geöffnet.

Als wir weiterfuhren, fing es kurz vor Kvarberg plötzlich an zu regnen. Aufgrund der offenen Hardtop-Fenster, brach ein wenig Hektik aus. Der Lebensabschnittsgefährte fuhr rechts ran und ich sprang aus dem Auto und hinten rein, Fenster schließen. Gerade noch rechtzeitig, denn als wir weiterfuhren, öffnete der Himmel seine Schleusen. Glück gehabt!

Unseren Schlafplatz suchten wir entlang der 310 und wurden auch recht schnell fündig. In Schweden ist es erlaubt, freistehend zu campen, so lange man ein paar Regeln einhält.

Der Platz war eigentlich sehr schön. Aber - und an dieser Stelle kommt wirklich ein fettes ABER: Trilliarden von Kriebelmücken fanden diesen Platz ebenfalls sehr schön. Und diese Biester waren so winzig, dass sie durch die Maschen unserer Fliegennetze passten. Dies bedeutete, dass wir nicht, wie geplant, ganz entspannt draußen kochen und bei offener Heckklappe essen und vielleicht auch ein wenig am Camper weiter arbeiten konnten, sondern dass wir beide bei geschlossenen Fenstern im Camper hocken mussten.

Aufs Kochen verzichteten wir unter diesen Umständen, denn den Gaskocher bei geschlossenen Fenstern zu betreiben, ist wahrlich keine gute Idee. Stattdessen gab es Brot und Bier zu Abend und wir legten uns recht bald hin, nachdem wir noch einige Hundertschaften Kriebelmücken gekillt haben, die es ins Auto schafften. Mir juckte die Kopfhaut und der Schädel des Herrn Lebensabschnittsgefährten sah ebenfalls aus wie Streuselkuchen. Damit war dann auch die letzte Jubiläumsromantik endgültig dahin.

Auf dem Smartphone guckten wir die Anstalt. Das Smartphone befestigte ich mit der Handgelenksschlaufe und Malerkrepp am Alu-Querträger vom Hardtop. Malerkrepp, das bei uns den Spitznamen “Universalkleb” trägt, ist auf Reisen immer dabei. Denn es ist genau das: sehr universal einsetzbar, ohne hässliche Kleberreste zu hinterlassen. Damit lassen sich Lebensmittelverpackungen verschließen oder eben auch Handys fixieren.

Um Mitternacht war es noch taghell. Klar, Midsommar. Und das Auto hat viele kleine Löcher und Öffnungen an den Fenstern und der Heckklappe, durch die immer wieder Mücken eingedrungen sind. Die Nacht war nicht sonderlich erholsam. Schweden ist scheiße.

Und für die Statistik: 467 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren. Die Route als Screenshot, der GPX-Track unserer Fahrt durch Schweden ist am Ende des Beitrags.

Tag 4 - Mücken, ein gequetschter Daumen und noch mehr Mücken

Samstag, 26. Juni 2021

Um 06:30 Uhr wurden wir wach - zur Freude der Mücken. Der Herr Lebensabschnittsgefährte machte draußen Kaffee, ich räumte das Auto fahrbereit und wir machten uns aus dem Staub. Auf der E45 ging es weiter gen Norden. An der Abfahrt Tandsjöborg querte ein Reh die Fahrbahn - natürlich auch wieder zu schnell, um die Kamera zu zücken.

Rast am Fluss

Am Björnån legten wir eine Rast ein, um zu frühstücken. Hier waren zwar auch Mücken, aber nicht ganz so viele. Und so lange wir in Bewegung blieben, ging’s. Eine Familie aus Norwegen hatte ihr Zelt neben dem Rastplatz im Wald aufgestellt. Der Mann erzählte uns, dass zwischen Innen- und Außenzelt alles quasi schwarz war vor lauter Mücken, als sie morgens aufwachten. Nach dem Frühstück wuschen wir uns im Fluss und putzten Zähne. Dann machten wir uns wieder auf den Weg.

Auffällig war übrigens auch, dass hier sehr viele Leute mit sehr alten Autos durch die Gegend fuhren. Immer wieder begegneten uns Oldtimer auf der Straße. Und auch neben den Häusern sieht man viele alte Schätzchen rumstehen. Anscheinend sind alte Autos hier recht beliebt.

Hinter Sveg machten wir erneut eine kurze Rast. An einer Forsteinfahrt genehmigten wir uns ein zweites Frühstück und wechselten die Positionen. Das taten wir sowieso ziemlich häufig und regelmäßig. Der Herr Lebensabschnittsgefährte erspähte kurz vor Årsana ein Rentier, das Bahngleise entlang lief. Aber auch das wieder zu spät zum Knipsen. Bei Rasta hingegen legten wir ganz bewusst einen Photostopp ein, denn da hatten wir einen tollen Blick auf den Hundshögen im Oviksfjäll.

Am Rastplatz Häggenas machten wir Mittagspause. Der Platz war asphaltiert und recht uninteressant für die Mückenwelt. Endlich konnte wir mal wieder halbwegs entspannt sitzen, kochen und essen.

Rastplatz Häggenas

Zurück auf der Straße sahen wir wieder allerlei Getier entlang der Straße, Rentiere im Vorgarten, einen Fuchs im Grünstreifen neben der Fahrbahn. Und natürlich wieder ohne schussbereite Kamera.

Was wir außerdem extrem viel sahen, waren abgeholzte Baumplantagen, zerstörte Wälder und nicht enden wollende Stapel mit Baumstämmen, wofür die beiden Bilder oben nur symbolisch stehen. All dieses Holz wird nicht etwa für IKEA geschlagen, die beziehen ihr Holz nämlich aus Ländern im Osten. In Osteuropa, Nordrussland und China holzt IKEA die Wälder ab. Hier in Schweden wir das Holz zur Papierherstellung (in nicht unerheblichen Mengen kauft Deutschland hier Papier) und zum Heizen. Holzpellets sind das eine, teilweise werden die Bäume aber auch zur Stromerzeugung direkt verbrannt. Und weil Bäume nachwachsender Rohstoff sind, wird das sogar noch als klimaneutral verkauft.

Die meiste Zeit war die Aussicht aber ziemlich hübsch auf Wälder und Seen und nette kleine schwedische Orte.

See mit blauem Himmel

Auf dem nächsten Rastplatz wäre unsere Reise um ein Haar zuende gewesen. Ich war gefahren, der Lebensabschnittsgefährte schloss beim Aussteigen hinter sich die Beifahrertüre und wurde kurz darauf kreidebleich und sackte in sich zusammen. Ich führte ihn noch um das Auto herum, damit er wenigstens im Schatten lag - wenn auch im Dreck. Immerhin gab ich ihm ein Kissen, um das Haupt zu betten.

Kalter, klebriger Schweiß stand im auf seiner wachsartigen Haut. Kotzübel war ihm, kalt und schwindelig. Er hatte vergessen, den Daumen aus der Tür zu nehmen, als er selbige ins Schloss schmiss. Und die Tür war zu! Reflexartig riss er die Tür wieder auf und befreite seinen Daumen, bevor er zusammenbrach. Er hatte Glück, dass ich nicht verriegelt hatte. Der Daumen hatte weniger Glück. Im ersten Moment dachte ich, der sei gebrochen, da er ein wenig deformiert wirkte und sofort blau wurde.

Nachdem der Lebensabschnittsgefährte ein wenig im Schatten gelegen hatte, bildete er sich ein, dass es ihm nun wieder besser ging und er aufstehen könne. Ich stützte ihn, nur um drei Meter weiter zu verhindern, dass er auf den Asphalt donnert, stattdessen legte ich ihn kontrolliert dort ab. Und da lag er dann, mitten in der Sonne, mitten auf dem Rastplatz, notdürftig zugedeckt mit einer Sweatjacke.

In Gedanken ging ich schon durch, wie ich dem Gesprächspartner, der den Notruf entgegennehmen würde, auf Englisch erkläre, dass hier jemand mit Schocksymptomen nach eingeklemmten Daumen mitten auf dem Rastplatz … Ja, auf welchem eigentlich? Immerhin gab es ein Schild, wir waren in Meselefors.

Ich sorgte dafür, dass der Lebensabschnittsgefährte ansprechbar blieb. Auf dem Parkplatz war nichts los, ich war auf mich selbst gestellt. Ich war ein wenig besorgt, musste aber auch lachen ob der aberwitzigen Situation, die sich hier mal wieder eingestellt hatte. Außerdem musste ich relativ dringend zur Toilette, das war schließlich der Grund, warum wir hier überhaupt rausgefahren waren. Ach ja, und Kuchen wollten wir essen. Ob er den denn noch wolle, fragte ich den Lebensabschnittsgefährten. Meine Frage wurde positiv beschieden.

Die Aussicht auf Kuchen brachte ihn auch wieder auf die Beine, wenn auch etwas wackelig. Ich führte ihn bis zu einer Bank, wo er sich erneut hinlegte, von mir erneut mit Kissen und jetzt richtiger Decke versorgt wurde. Außerdem flößte ich ihm einen Schluck Wasser ein. Dann ging ich zur Toilette.

Nach einigen Minuten war er einigermaßen wiederhergestellt und konnte sich hinsetzen, dann auch aufstehen und ebenfalls zur Toilette gehen. Ich blieb sicherheitshalber vor der nicht abgeschlossenen Türe stehen, falls ihn sein Kreislauf vom Thron schubste. Nachdem dieses Abenteuer endlich überstanden war, gab es erstmal Kuchen. Anschließend fuhr ich weiter, den Lebensabschnittsgefährten ließ ich an diesem Tag nicht mehr ans Steuer.

Hier noch Bilder vom Ort des Geschehens und vom Daumen:

In Sorsele übernachteten wir. Am Bahnhof gibt es einen großen Bus- und Lkw-Parkplatz, auf den wir fuhren. Ein riesiger Schotterplatz erstreckt sich ziemlich weit nach hinten und wir fuhren fast bis ans Ende. Dort stellten wir den Ranger ab und machten uns fertig für die Nacht. Und dann begann das Elend …

Mücken! Hunderte von Mücken stürmten unseren Camper! Bisher hatten wir es mit Kriebelmücken zu tun, die sind ziemlich nervig und die Bisse tun ein wenig weh. Aber zumindest für mich sind die durchaus noch erträglich. Jetzt aber hatten wir es Stechmücken zu tun und die waren wesentlich gerissener darin, jede, aber auch wirklich jede noch so kleine Lücke zu finden und ins Auto einzudringen, wozu die Kriebelmücken zu blöde waren. Bis 1 Uhr nachts hatten wir sicher Hunderte Mücken erschlagen und dann auch endlich alle Lücken an den Fenstern abgeklebt und mit Klamotten und Lappen abgedichtet. Und so eine Pickup-Ladefläche mit Hardtop hat viele Lücken und Löcher.

Wir waren zerstochen und fix und fertig, als wir in so etwas ähnliches wie Schlaf fielen. Schweden ist scheiße.

Und zum Schluss wieder die Statistik: 614 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren. Die Route als Screenshot, der GPX-Track unserer Fahrt durch Schweden ist am Ende des Beitrags.

Tag 5 - Rentiere und Polarkreis

Sonntag, 27. Juni 2021

Die Mücken vom Abend zuvor saßen morgens immer noch auf dem Auto und warteten nur darauf, dass wir herauskamen. Wir hielten uns daher gar nicht lange auf und zogen uns bei geschlossenen Fenstern schnell an. Ich verzichtete auf anständigen Kaffee und machte mir meinen Zaubertrank (so ein 2in1-Pulverzeug) mit kaltem Wasser. Da löst der zwar nicht so gut auf und schmeckt auch nicht so prall, aber egal, Hauptsache Koffein! Das Frühstück nahmen wir während der Fahrt vorne im Auto ein.

Am Buresjön war es endlich so weit, die ersten Rentiere vor unserem Auto! Ansonsten war Schweden die Hölle, zumindest entlang der E45. Es gab so gut wie keine Rastplätze und die wenigen Parkbuchten waren besetzt von Mücken, Bremsen und sämtlichen Insekten, die scharf auf Blut sind. So langsam kamen wir auch zu der Erkenntnis, dass knallroter Lack vielleicht nicht die beste Idee war. Kaum hielten wir irgendwo an, schwirrten etliche Viecher um den armen Bert herum und setzten sich auf die rotleuchtende Karosserie, das Alu-Hardtop rüsselrümpfend verschmähend.

Am Rastplatz Ljusselforsen konnten wir unsere Camping-Toilette leeren, Kaffee kochen und Katzenwäsche machen. Es gab sogar warmes Wasser in der Toilettenkabine.

In Kåbalis war ich ein wenig verwundert: So viel Schnee da oben auf den Bergen? So hoch waren die nicht und es war ziemlich warm draußen. Wir fuhren kurz von der E45 ab, um uns das näher anzusehen. Dabei stellten wir fest, dass da irgendetwas unter weißer Folie verborgen war. Was das war, konnten wir aber nicht herausfinden.

Zum Mittagessen waren wir am Polarkreis. Hier begegnete uns auch das erste deutsche Wohnmobil und das kam auch noch aus dem Landkreis Rostock. Die Welt ist klein. Ansonsten waren eigentlich nur Schweden unterwegs. Auch bei denen scheint der Wohnmobil-Hype ausgebrochen zu sein.

Der Daumen des Herrn Lebensabschnittsgefährten nahm langsam Farbe an. Der war zwar auch noch empfindlich, aber nicht mehr so schmerzhaft wie am Tag zuvor.

In Jokkmokk gingen wir nochmal einkaufen. Im Supermarkt waren auch recht viele Ausländer, auch einige Deutsche, die hier Urlaub von Corona-Maßnahmen machten. Mal wieder waren wir die einzigen mit Maske. Außerdem begegneten uns bisher ziemlich viele Radfahrer auf Schwedens Straßen. Schwer bepackt mit Taschen rechts und links schnaufen die die Berge rauf und runter. Das fand ich schon recht beeindruckend.

Wir suchten uns recht früh einen Platz für die Nacht und fanden diesen am Rastplatz Vittangi, unweit der finnischen Grenze. Die wollten wir am nächsten Tag passieren, denn ab dem 28. Juni gelten wir als vollständig geimpft und haben gültige Zertifikate für die Einreise nach Norwegen, das erst seit 24. Juni seine Grenzen für Touristen wieder geöffnet hat.

Auf dem Rastplatz waren wir alleine - bis auf eine Bachstelze, die sich fürchterlich über jeden Passanten und auch unseren Camper aufregte. Anscheinend hatte sie irgendwo ihr Nest und wir kamen dem zu nahe. Als wir im Camper verschwunden waren, gab sie Ruhe und ging wieder ihren Tagesgeschäften nach.

Wir räumten nochmal ein wenig um, bauten Schiebetüren im Küchenschrank ein, schraubten die Verkleidung der Camping-Toilette an und schnitten unsere Matratze in drei Teile, damit sie handlicher war. Naja, das meiste davon habe ich halt alleine gemacht, da der Herr Lebensabschnittsgefährte ja teilzeitbehindert ist. Und da es mir jedes Mal schmerzte, wenn ich seinen Daumen im Einsatz sah, verzichtete ich auch gerne auf die Hilfe.

Abendbrot

Zum ersten Mal war es uns jetzt möglich, unseren kleinen Klapptisch fürs Abendbrot zu nutzen. Das schaffte gleich ein wenig mehr Gemütlichkeit. So langsam wird es wohnlich bei uns. Der Platz war außerdem nahezu mückenfrei und in den Toiletten gab es warmes Wasser zum Waschen. Luxus pur an diesem Abend!

Und zum Schluss wie immer die Statistik: 413 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren. Die Route als Screenshot, der GPS-Track folgt direkt darunter.

GPS-Track