danach

Für mich werden noch in dieser Nacht die USA und das WTC wieder so uninteressant, wie sie am Morgen noch waren. Während ich nichts weiter mache als nur chatten und nebenbei den Fernsehberichten folgen, wird ganz plötzlich der Bildschirm dunkel. Nanu? Die Kiste hat schon öfter gesponnen, also denke ich mir zunächst nichts und glaube an einen erneuten Absturz. Aber er bootet nicht ... er bootet nicht ... er bootet einfach nicht. Oh! Der Tower steht hinterm Schreibtisch, weswegen ich aufstehen muss um den Rechner wieder einzuschalten. Nach dem ersten Druck auf den Power-Knopf tut sich nichts. Nach dem zweiten, dritten, vierten und fünften auch nicht. Oh Gott! Er wird doch nicht ...? Es kann nicht schaden, noch ein sechstes Mal auf den Knopf zu drücken. Allerdings nützt es auch nichts. Der Rechner bleibt stumm, die Lampen aus. Oh mein Gott! Das ist die totale Katastrophe, eine weitere persönliche Apokalypse! Wie nichtig sind für mich jetzt zwei eingestürzte Hochhaustürme tausende von Kilometern entfernt. Der absolute Super-GAU hat sich ereignet! OH MEIN GOTT!! Was mache ich denn jetzt? Das ist nicht mein Rechner. Wie soll ich efeu das erklären? Mir glaubt doch kein Mensch, dass ich nichts gemacht habe.

Was soll ich tun? Ich könnte Soul anrufen. Aber das will ich nicht, der will ja seine Ruhe und mit der Scheiße hier verständlicherweise für wenigstens einen Abend nichts zu tun haben und ich will ja nicht aufdringlich erscheinen. Was soll ich bloß tun? Ich rufe bei sense an, die war ja auch eben noch im Chat. Sie gibt mir auch den Hinweis, dass ich Soul eine SMS schicken könnte und dass es ganz sicherlich nicht aufdringlich ist angesichts der Problematik. Außer ihr waren noch zwei oder drei andere User in dem Raum. Sie schildert denen mein Problem und ich bekomme Tipps, was ich ausprobieren könnte. Eine SMS von Soul mit der Feststellung, dass man mich wohl nicht alleine lassen kann. Jedenfalls nicht mit Computern. Vielleicht ist die Steckdose defekt? Um das auszuprobieren muss ich den Tower hinterm Schreibtisch vorziehen, was wiederum bedeutet, dass ich alle Kabel abziehen muss. Ich krabbele also unter den Schreibtisch und ziehe die unnatürlich vielen Kabel ab. Wozu hängen da so viele Kabel dran? Das sind mindestens doppelt so viele wie an meinem Rechner. Kein Wunder, dass die Kiste ständig überfordert ist. Ich schließe den Computer an eine andere Steckdose an und drücke erwartungsvoll den Knopf ... nichts! Dann fällt mir ein, dass efeu ja gestern die Festplatte ausgetauscht hat. Vielleicht hat sich ein Kabel gelöst? Ich öffne das Gehäuse und wackele an jedem Kabel rum. Ein neuer Funktionstest ... Und? ... Jaaa!

Ich bin vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, der ausgerechnet in dieser Nacht in Begeisterung und Freudentränen ausbricht. Aber mal ganz ehrlich: Was tut man mit jemandem, den man mit dem Rechner alleine lässt und anschließend ist das Teil kaputt? Eben. Und bekanntlich habe ich ja vor nichts mehr Angst als gefressen zu werden.

Author

dark*

Immer gerne auf Tour, am liebsten im Norden

12. September 2001