Hin- und Ankommen

Der Herr Lebensabschnittsgefährte musste zu einer Fortbildung nach Berlin. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn zu begleiten und mir - während er sein Hirn mit zusätzlichem Wissen vollstopfte - die Stadt, die meine frühere Wahlheimat ist, anzugucken. Orte, an denen ich gelebt und mich öfter aufgehalten hatte, wollte ich aufsuchen, aber auch Neues erkunden. Die Buchung über den Arbeitgeber war kein Problem. Montagmorgen ging es bereits los, Freitagabend sollten wir zurückkommen.

Am Montag wachte ich gegen 04:40 Uhr auf, Weckton: Kotzende Katze! Es gibt Momente, in denen ich das Tier verfluche. Bis 06:30 Uhr war so ein Moment, ich konnte nämlich nicht wieder einschlafen. Und um 06:30 Uhr, als der Herr Lebensabschnittsgefährte unter der Dusche stand, war der nächste Moment. Das Katervieh kotzte sein Frühstück wieder aus. Meine Laune war unterirdisch und für einen Moment überlegte ich ernsthaft, den Trip abzublasen und den Lebensabschnittsgefährten allein auf Reisen zu schicken. Missmutig und todmüde ging ich nach dem Frühstück unter die Dusche. Und während ich anschließend noch den restlichen Kram zusammenpackte, kotzte das Mistvieh erneut, diesmal Haare. Es verlangte mir eine ganze Menge ab, ihn nicht an Ort und Stelle von all seinen Leiden für immer zu befreien.

Sonnenaufgang

Um kurz vor Neun machten wir uns auf den Weg zur Tram-Haltestelle. Die Verbindung, die uns die Kollegin rausgesucht hatte, sah eine Fahrt mit der S-Bahn nach Frankfurt vor. Darauf hatten wir wenig Lust, weswegen wir uns überlegt hatten, lieber mit dem Regionalzug zu fahren. Daher nahmen wir eine Tram früher als zwingend notwendig gewesen wäre. Auf dem Weg zum Bahnhof bekam ich eine E-Mail, Verspätungsalarm der Bahn. Unser Zug fiel wegen eines technischen Defekts aus, es würde ein Ersatz-ICE fahren. Da fiel mir auf, dass der ab Frankfurt Süd fahren würde. Oha! Wäre der Verspätungsalarm nicht gewesen, hätten wir aber schön blöd am Hauptbahnhof dagestanden! So fuhren wir dann doch mit der S-Bahn nach Frankfurt Süd.

Mit etwas Verspätung ging es los. Aber die Verspätung war nicht einmal ansatzweise das Schlimmste. Es gab keinen Kaffee an Bord! Da es sich nur um einen Ersatzzug handelte, war der wohl nicht voll einsatzfähig, was die Reservierungen und auch das Board-Bistro betraf. Unseren Sitzplatz konnten wir dennoch einnehmen, das war kein Problem. Aber hallo?! Keinen Kaffee!? Für Kassel war frisch aufgebrühter Kaffee geordert. Bis dahin musste ich ohne zurecht kommen.

Die Fahrkartenkontrolle erschien und wünschte einen schönen guten Morgen und eine angenehme Resei. "Naja, geht so", erwiderte ich. "Was?! Wieso das denn?" Offenbar ist er es nicht gewohnt, dass die Leute ihm unverblümt und anlasslos so etwas ins Gesicht sagen. "Sie haben ja keinen Kaffee an Bord", warf ich ihm vor und traf auf Verständnis. "Ab Kassel gibt es welchen", versuchte er mich zu besänftigen. Ich zeigte ihm meine Fahrkarte und starrte aus dem Fenster. Zu mehr war ich so unausgeschlafen und kaffeelos nicht in der Lage. Etwas später arbeitete ich dann noch ein wenig.

Ab Kassel gab es dann tatsächlich Kaffee und dazu eine Verspätung, die von anfänglich 10 Minuten bis zu über 30 Minuten evolutionierte. Als Grund dafür wurden "Verspätete Bereitstellung des Zuges (10 Minuten) und "Vandalismusschäden am Gleis" (alles über die 10 Minuten hinaus) angegeben. Das Mittagessen im Speisewagen musste leider auch ausfallen, da es dort nichts gab, was Geschirr erforderlich machte. Der Lebensabschnittsgefährte holte sich später ein Baguette, das gab es in einer Serviette. Ich hatte keinen Hunger. Allerdings roch das Baguette so gut, dass ich dann doch ein paar Mal abbiss. Gegen 15 Uhr waren wir endlich in Berlin Hbf, dem leider jener Charme fehlt, den der Bahnhof Zoo früher immer hatte. Da hatte man schon beim Verlassen des Zuges Berlin-Feeling. Der Hauptbahnhof besticht sowohl bei der Namensgebung als auch bei der Gestaltung vor allem mit Beliebigkeit. Mit S- und U-Bahn machten wir uns auf den Weg ins Hotel, das nahe der Messe gelegen ist.

Das Hotel ist etwas in die Jahre gekommen, äußerlich aber auch die Zimmer. Aber was soll's, es war sauber und zweckmäßig. Der Ausblick am RBB-Gebäude vorbei Richtung untergehende Sonne war allerdings ganz nett, ebenso der Ausblick auf den Funkturm.

Ich räumte den Koffer aus. Vier Tage in einem Hotelzimmer - Wann hatten wir das zuletzt? Anschließend warf ich mich für 15 Minuten aufs Bett, lud meinen Akku und den vom Smartphone auf, dann machten wir uns nochmal auf den Weg. Es war ja erst kurz nach Vier, der Tag war noch jung. Wir fuhren zum Potsdamer Platz. Da ist so eine Art Wintermarkt. Als Markt zwar eher enttäuschend, aber dafür gab es Fressbuden. Mittlerweile hatte ich nämlich Hunger. Ich entschied mich für eine Currywurst, die ich eigentlich ziemlich teuer fand, auf die ich aber Lust hatte. Als ich dann sah, wie groß die Portion war, relativierte das auch den Preis ganz ordentlich. Die Schale war aus Teig und damit essbar. Und ich staunte nicht schlecht, als die Imbiss-Verkäuferin diese Schale randvoll machte. Ich verdammte den Lebensabschnittsgefährten, die Hälfte mitzuessen. Ich hätte den Napf niemals alleine geschafft! Zum Nachtisch gönnten wir uns jeder einen Mohrenkopf. Danach waren wir dann endgültig pappsatt.

Zu Fuß machten wir uns auf den Weg zum Brandenburger Tor. Dabei kamen wir am Holocaust-Mahnmal vorbei. Im Dunkeln finde ich das ziemlich beeindruckend und auch wesentlich bedrückender als bei Tageslicht. Insbesondere wenn dann noch Touristen-Zirkus mit Führungen und Blabla und Geknipse dazukommt. Mit Licht sind das nur ein paar Betonklötze, im Dunkeln hat das eine eigenartige Atmosphäre. Allerdings liegt das wohl vor allem daran, dass die Beleuchtung ausgefallen ist. Da waren nämlich Lampen in den Boden eingelassen, die waren aber nicht eingeschaltet. Außerdem sind an fast allen Betonklötzen Risse im Beton zu sehen, offensichtlich ist das nicht sonderlich qualitativ gebaut. Auf manchen Blöcken lagen Blumen, einzelne Rosen oder auch ganze Sträuße. Wir liefen über die Stehlen und zwischen ihnen hindurch.

Danach kamen wir an der gut bewachten amerikanischen Botschaft vorbei. Da wir bereits in Oslo festgestellt haben, dass die sich nicht gerne photographieren lassen, beschränkten wir uns diesmal auf die hübsch beleuchtete Flagge der USA.

Flagge der USA

Dann waren wir am Brandenburger Tor. Wir knipsten es von beiden Seiten. Während ich noch vom Pariser Platz aus versuchte, das Monument halbwegs gerade und gut ausgeleuchtet und ohne fremde Köpfe auf Micro-Chip zu bekommen, schrie unmittelbar hinter mir ein Typ plötzlich los. Er sei der König von Groß-Deutschland und ähnlich wirres Zeug brüllte ein nackter Mann, der auf einem Fahrrad stand, das an eine Straßenlaterne gebunden war. Ich hatte genug, wir gingen weiter. Geknipst habe ich das Elend allerdings nicht, für Profilneurosen fühle ich mich nicht zuständig.

Berlins Parks und Grünanlagen sind nicht besonders gut beleuchtet, wie mir scheint, so auch diese Ecke des Tiergartens, durch die man vom Brandenburger Tor zum Reichstag läuft. Immerhin gingen hier noch mehr Leute durch, ein wenig unheimlich fand ich das trotzdem. Aber das war der kürzeste Weg zum Reichstag und da wollten wir schließlich hin. Der Platz der Republik war ebenfalls stockfinster. Hier war das aber ganz gut, so konnte man wenigstens gut den Reichstag und auch das Kanzleramt photographieren.

Von dort aus machten wir uns auf den Weg zur norwegischen Botschaft. Irgendwie lag das ja nahe, dass wir uns die Vertretung unseres erklärten Wohlfühl-Landes auch mal anschauen. Der kürzeste Weg dorthin hätte quer durch den Tiergarten geführt. Aber da dunkle Parks nun wirklich nicht mein Ding sind und Berlin seine Parks nicht beleuchtet, die sind stockfinster, gingen wir lieber einen Umweg drumherum. Dabei kamen wir auch an der Siegessäule vorbei.

Siegessäule

Unterwegs witzelte ich noch, dass es mich nicht wundern würde, wenn die Norweger ein rotes Holzhaus mitten in die deutsche Hauptstadt gestellt hätten. Und allzu weit war ich damit auch nicht von der Wahrheit entfernt. Im Botschaftsgebäude waren alle Skandinavier bzw. Nordländer vereint: Island, Norwegen, Finnland, Schweden und Dänemark. Und es war in typischer moderner skandinavischer Bauweise: Holz mit anderen Materialien gemischt, sah warm, einladend und solide aus. Und beherbergte zudem eine aktuelle Ausstellung von Photographien, die entlang der Landschaftsrouten Norwegens entstanden. Da wollte ich rein!

Wir gingen um das Gebäude herum. Vor dem Haupteingang in die Botschaft lag ein riesiger Stein. Ich dachte mir gleich, dass es sich um einen Lavabrocken handeln würde, und tatsächlich, er stammte von den Westmänner-Inseln und dem dortigen Vulkanausbruch von 1973. Also von dem Vulkan, auf dem wir rumgeklettert sind. Jetzt ist er der jüngste Stein in Deutschland.

Unser Weg führte weiter Richtung Bahnhof Zoo, dabei kamen wir - surprise, surprise - am Zoo vorbei.

Aquarium am Bahnhof Zoo

Wir mussten noch etwas im Drogerie-Markt einkaufen und suchten den dm in der Nähe auf. Danach besorgten wir uns noch Laugengebäck und Butter fürs Abendbrot. Anschließend kamen wir an der Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz vorbei, wo man den Weihnachtsmarkt aufzubaute.

Gedächtniskirche

Gegenüber ist das Bikini Berlin, ein etwas anderes Einkaufszentrum. Dort gingen wir auch noch hinein. Das Teil war sehr interessant aufgebaut und wirkte ziemlich urig. Im Café-Bereich des Einkaufszentrums gab es sogar eine Hollywood-Schaukel und diverse Einzelschaukeln. Da die alle besetzt waren, habe ich aber keine Photos davon gemacht. Witzig fand ich auch den Roboter, der einen Stift- und Handyhalter zusammenbaute.

Danach fuhren wir zum Hotel zurück. Mit diesem Tag waren wir fertig. Wir waren müde. Und wir waren 12.509 Schritte oder 7,9 Kilometer gelaufen. Eigentlich sogar noch mehr, diesen Screenshot hier habe ich in der U-Bahn gemacht.

12.509 Schritte

Wir aßen zu Abend, fielen in die Betten, guckten noch ein bisschen Fernsehen und schliefen dann ein.

Gute Nacht, Berlin!
Author

dark*

Immer gerne auf Tour, am liebsten im Norden

12. November 2018