Brauerei Pilsen und Altstadt

Die ganze Nacht hatte ich Spaß mit meinem Zeh, bei jeder Bewegung tat das Teil weh und weckte mich. Auf der rechten Seite liegen ging noch weniger als auf der linken. Die Nacht war unruhig und der Zeh am nächsten Morgen noch mehr blau. Auftreten tat furchtbar weh. Ich humpelte unter die Dusche und pappte anschließend meinen Zeh mit einem provisorischen Verband am Nachbarn fest. Es lebe “Universal-Kleb”!

Zeh getaped

Der Lebensabschnittsgefährte wäre ja gerne mit mir zum Arzt gegangen. Aber da das nicht das erste Mal war, dass ich mir einen Zeh gebrochen hatte, wusste ich, dass der auch nicht mehr macht, als erst Röntgen und dann mit einem Verband am Nachbarzeh festpappen. Da kein neues Gelenk entstanden war und auch kein Knochen aus der Haut rausguckte, kann man vermutlich eh nicht mehr machen. Ausruhen und den ganzen Tag im Bett liegen, kam auch nicht in Frage. Schließlich blieben wir nur zwei Nächte, da musste die Zeit genutzt werden. Wenn es nicht besser werden würde, konnte ich daheim immer noch zum Arzt gehen.

Wie bereits erwähnt, hatten wir für 8 Uhr Früstück bestellt. Aber um 8 Uhr war noch Totenstille im Haus und keiner da. Wir wartete. Ich will nicht sagen “geduldig”, denn wir waren hungrig. Um 08:20 Uhr war immer noch keiner da. Ich hatte keine Lust mehr zu warten und wir hatten ja sowieso noch Brot, Marmelade, Kaffee und Nutella dabei, also machten wir uns selbst Frühstück im Zimmer. Um 08:40 Uhr machten wir uns auf den Weg, unten war immer noch keiner.

Zunächst gingen wir zur Brauerei, die ganz in der Nähe unseres Hotels war. Pilsen ist bekanntlich die Heimat des Bieres nach Pilsner Brauart. Die Pilsner Urquell Brauerei hat hier immer noch ihren Sitz und braut hier immer noch das berühmte Pilsner Urquell. Die Brauerei ist das Ziel zahlreicher Touristen aus aller Welt. Und auch wir ließen es uns nicht nehmen, an einer Führung teilzunehmen.

Vor der Brauerei stand eine Busladung Asiaten und schnatterte und knipste herum. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Selfie-Orgie durch war. Und natürlich musste jedes Foto direkt ausführlich begutachtet und bequatscht werden und das selbstverständlich vor dem Tor stehend. Nach einer Weile waren sie endlich weg und ich konnte den Eingang knipsen.

Hauptgebäude

Die nächste deutschsprachige Führung sollte um 13:15 Uhr stattfinden. Wir kauften direkt die Tickets dafür. Dann entdeckten wir im Besucherzentrum einen Automaten, mit dem man Postkarten mit eigenem Foto drauf erstellen kann.

Photo-Automat

Das wollten wir auch, schließlich brauchten wir eh noch ein paar Postkarten für die Daheimgebliebenen! Das Unterfangen gestaltete sich ein klein wenig schwieriger, als zunächst gedacht. Zunächst machten wir das Photo. Dann konnte man einen Text aussuchen, der auf der Postkarte stehen würde. Außerdem gab es verschiedene Motive zur Auswahl. Da wir vier Karten verschicken und eine für uns selbst behalten wollten, beschlossen wir, von jedem Motiv eine zu nehmen. Dann entdeckten wir, dass der Text nur auf Tschechisch auf den Karten stand, wenn man Tschechisch auch als Menü-Sprache auswählte, und stellten das Gerät entsprechend ein. Ein neues Photo wurde gemacht. Blöderweise verstanden wir aber die Hinweise auf dem Bildschirm nun nicht mehr, tippten auf gut Glück und natürlich prompt falsch und waren wieder am Anfang. Ein drittes Photo wurde gemacht. Nun wechselten wir ständig zwischen den Sprachen hin und her. Sobald wir wussten, was auf den Buttons stand und welchen wir drücken mussten, stellten wir wieder auf Tschechisch um. Am Ende angekommen erfuhren wir dann, dass der Automat derzeit keine Scheine nimmt, sondern nur Münzen. Aber wenigstens wechselte die freundliche Mitarbeiterin vom Ticketverkauf unsere Scheine passend um.

Pilsner-Harley

Wir knipsten noch die Deko und draußen die Hauptverkehrsstraße des Werksgeländes.

Werksgelände

Anschließend machten wir uns auf den Weg zur Altstadt. Auf dem Weg dorthin sahen wir eine Polizeistreife, die einen Pkw angehalten hatte und kontrollierte. Die Polizisten sahen aus wie aus einem Film: schwarze Uniformen, kahlrasierte Köpfe, Sonnenbrillen. Und so, wie die sich vor dem Auto aufbauten, wirkten sie nicht gerade, als sei mit ihnen gut Kirschenessen. Hier wollte ich lieber nicht in eine Kontrolle geraten.

Ganz hübsch ist der Gartenring rund um die Altstadt. Als im 19. Jahrhundert die Stadtmauer abgerissen wurde, beschloss man, stattdessen einen Grüngürtelring um die Altstadt anzulegen. Als Verlängerung des Gartenrings schließt sich der Mühlgraben an, eine hübsch angelegte kleine Grünanlage mit Teich. Entlang des Teichs waren lauter Tafeln mit Informationen zu den Bewohnern des Teichs aufgestellt. Nicht nur die Fische wurden dort vorgestellt, sondern auch die diversen Insektenlarven, Wasserflöhe, Hüpferlinge und was sonst noch alles in der Pfütze kreucht und fleucht.

Anschließend kamen wir am Wasserturm vorbei. Der Weg zum Náměstí Republiky (Platz der Republik), dem zentralen Platz der Altstadt, war nicht weit. So dauerte es nicht lange, bis wir der Katedrála svatého Bartoloměje, der St.-Bartholomäus-Kathedrale ansichtig wurden. Diese hat den höchsten Kirchturm Tschechiens, wovon gefühlt die Hälfte nur Dach ist. Wir umrundeten das Bauwerk, das ziemlich imposant ist.

St.-Bartholomäus-Kathedrale

Leider war die Kirche selbst wegen Renovierungsarbeiten noch bis 2020 geschlossen, aber man kann den Turm besteigen. Also machten wir uns auf den Weg nach oben.

Das war nicht ganz so einfach mit einem gebrochenen Zeh, der mittlerweile sowieso schon ziemlich weh tat vom vielen Rumlaufen. Aber es hat sich gelohnt, die Aussicht war - nicht zuletzt wegen des tollen Wetters - grandios!

Ostermarkt

Danach gingen wir eine Runde über den Ostermarkt. Gerne hätte ich mir ein typisches Oster-Souvenir mitgenommen, aber leider fand ich nichts, was mich reizte. Immerhin erstand ich aber ein neues Halstuch für wenig Geld. Die Verkäuferin fragte ich, ob sie zufällig wüsste, wo man am Sonntag Briefmarken kaufen konnte. Sie war überaus freundlich, verließ ihren Stand, um mir zu zeigen, wo wir entlang gehen sollen und wir verständigten uns mit Gesten und Fingerzeig auf dem Stadtplan. Sie sprach Tschechisch, ich sprach Deutsch, aber trotzdem war alles klar. Sehr witzig.

Neben der Kathedrale war nicht zur Zeit für ein Schatten-Selfie, da steht auch die Pestsäule, die im 17. Jahrhundert zum Dank dafür, dass die Pest wohl ziemlich gemäßigt in Pilsen verlaufen war, aufgestellt wurde.

Rathaus

Außerdem am Platz der Republik: Das Rathaus im Stil der Renaissance. Und daneben die Touristen-Information, wo es die begehrten Briefmarken und ein Pilsen-Souvenir für meine Magnet-Pinnwand gab.

Wir gingen weiter, vorbei an hübschen Häuser mit netten Fassaden. Teilweise waren die Häuser ser schmal.

Synagoge

Ich wollte noch zur Großen Synagoge. Ich war noch nie in einer Synagoge und würde gerne mal eine von innen sehen. Die Große Synagoge in Pilsen sieht schon auf Bildern total toll aus und gehört zu den fünf größten der Welt. Leider hatte sie an diesem Tag aber geschlossen, so blieb nur der Anblick von außen. Sie ist wirklich wunderschön!

Synagoge

Wir gingen über den Gartenring zurück in Richtung des Hotels. Mittlerweile schmerzte mein Zeh so sehr, dass ich unterwegs eine Pause brauchte. Vor der Studien- und Wissenschaftsbibliothek, die in einem alten Dominikanerkloster untergebracht ist, setzten wir uns auf eine Bank. In der Nähe spielte jemand auf einem Saxophon, was richtig gut klang und gerade auch gut zur Stimmung passte. Wir blieben eine ganze Weile dort sitzen, ich legte meinen Fuß hoch und lauschte der Musik.

Parkverbot

Als wir weiter gingen zum Hotel, sahen wir zwei Mitarbeiter der Stadtpolizei, die gerade eine Parkkralle an einem Pkw angebracht hatten. Der Pkw stand im Halteverbot. Auch so ein tschechisches Ticket wollte ich an unserem Qashqai nicht unbedingt haben.

Nicht schwimmen!

Nicht zum Schwimmen geeignet!

Im Hotel angekommen, legte ich erstmal die Füße hoch. Mein Zeh brauchte dringend Erholung. Zu Mittag gab es Brotzeit und einen Kaffee. Um kurz vor Eins gingen wir wieder rüber zur Brauerei.

Weg zur “Bushaltestelle

Unser Führer stellte sich vor. Er sprach zwar recht gut Deutsch, was Grammatik und Wortschatz angeht, hatte aber einen wirklich sehr starken Akzent. Man musste schon genau zuhören. Zunächst ging es zur “Bushaltestelle”, denn wir fuhren mit einem Bus zum Werk.

Bus

Wir mussten noch ein wenig warten und vertrieben uns die Zeit mit Bestaunen und Knipsen der alten Wagen, bis das moderne Fahrzeug kam, um uns abzuholen.

Plan Füllanlage

Zunächst fuhren wir zur Abfüll-Anlage. Hier wurden die Flaschen gereinigt und anschließend neu befüllt.

Ich hätte ja noch Stunden zusehen können, wie die Flaschen durch die Halle fuhren, aber die Führung ging weiter. Hier noch schnell ein kurzes Video.

Als nächstes kamen wir in die Hallen mit den Kesseln. Riesig war hier alles und blitzblank.

Zum Wohl!

Plan Kessel

Als nächstes stiegen wir in die Katakomben hinab. Hier wurden früher die Fässer mit dem Bier gelagert, heute macht man das in modernen Kühlhäusern. Allerdings wird hier neben dem maschinellen Betrieb auch immer noch von Hand und ganz traditionell gebraut, um ein Vergleichsprodukt zu haben, mit dem sich das Ergebnis der maschinellen Produktion messen muss.

Plan Keller

Wie es sich für eine anständige Brauerführung gehört, gab es natürlich auch eine Verköstigung. Und die bestand aus dem traditionell gebrauten, ungefilterten Pilsener Urquell.

Bier!

Ich habe noch nie so leckeres Bier getrunken! Leider ist das Bild etwas verwackelt. Dort unten war es recht dunkel und ich war mittlerweile ziemlich fertig und mein Fuß tat höllisch weh, was sich wiederum verstärkend auf meinen Tremor auswirkte.

Zum Schluss noch ein Lagerraum, dann ging es zurück ans Tageslicht und ins Warme. Dort unten ist es recht frisch.

Die Führung ging insgesamt fast zwei Stunden und hat sich gelohnt! Es wurde übrigens die ganze Zeit unglaublich viel erklärt, es wurden Videos gezeigt und der Führer gab bereitwillig und erschöpfend Auskunft, wenn jemand aus der Gruppe Fragen hatte. Auch wurden die Zutaten gezeigt und erklärt, man konnte sie anfassen und sogar probieren. Ich hatte das Gefühl, am Ende alles über die Kunst des Bierbrauens zu wissen.

Im Anschluss kaufte ich mir auch hier noch ein Souvenir für meine Pinnwand. Dann gingen wir wieder ins Hotel. Eigentlich war es ja noch relativ früh am Tag, aber ich konnte nicht mehr. Mein Zeh war mittlerweile stark angeschwollen und teilweise dunkelblau, vor allem von unten, und sehr schmerzhaft. Gerne wäre ich noch in den Zoo oder ins Akva Tera gegangen, aber das musste ich mir leider verkneifen. So verbrachten wir den Nachmittag auf dem Bett liegend mit Spielen, Dösen, Tiervideos und Essen.

Zeh

Nach dem Abendbrot spülten wir im Bad das Geschirr. Ich hatte den Stöpsel vom Waschbecken runtergedrückt, um das Spülwasser einzulassen, aber keine Ahnung, wie der nun wieder rausgehen würde. Nirgendwo war ein Hebel oder sonstiges zu sehen. Ich nahm meine Nagelschere und hebelte den Stöpsel kurzerhand nach oben. Nachdem das Wasser abgelaufen war, fragte der Lebensabschnittsgefährte, ob ich denn mal versucht hätte, durch draufdrücken den Stöpsel zu lösen. Ich probierte es aus und siehe da, man muss nur nochmal draufdrücken. Es wird immer schwieriger, einfach zu leben.

Wir gingen früh zu Bett. Der Tag war anstrengend und wir schliefen ziemlich schnell ein.

Author

dark*

Immer gerne auf Tour, am liebsten im Norden

21. April 2019