Familien-Tour

Das Reisen war in den letzten Wochen und Monaten ja eher nicht so angesagt. Die Welt stand angenehm still. Und während ich das genossen habe, haben andere eher Probleme damit, die Verwandtschaft längere Zeit nicht zu sehen. Jetzt macht die Pandemie erstmal Pause und nach langem Überlegen haben wir dann einen Kompromiss gefunden, wie wir das bewerkstelligen und gleichzeitig noch ein bisschen Ruhe und Erholung für uns haben: Wir bauten unser Auto wieder zum Blech-Zelt um und planten Übernachtungen auf Campingplätzen.

Auf geht’s!

Der Herr Lebensabschnittsgefährte hatte ein paar Stunden vorgearbeitet und konnte am Freitag um 12 Uhr Feierabend machen. Am Vormittag hatte ich bereits alles Mögliche vorbereitet und unseren Kram ins Auto gepackt. Nun nahmen wir nur noch Brotzeit für unterwegs und Lebensmittel für den Campingplatz sowie den Elektronikkram mit und machten uns auf den Weg. Der war bis Lübeck angenehm und entspannt. Auf der A1 nahm das Chaos seinen Lauf.

Staus und Baustellen, Baustellen und Staus sorgten dafür, dass wir für 400 Kilometer sechs Stunden benötigten. Dabei waren nicht einmal besonders viele Lkw unterwegs. Auffallend war übrigens auch, dass mehr Lkw mit deutschen Kennzeichen auf der Autobahn waren als sonst. Meist wird das Bild des Transportwesens beherrscht von osteuropäischen Fahrzeugen, überwiegend aus Tschechien, Bulgarien und Rumänien. Wer glaubt, dass nur die Fleischproduktion die Osteuropäer mit schlechten Bedingungen ausnutzt, irrt gewaltig.

Campingplatz Northeim

Der Campingplatz, den wir uns ausgesucht hatten, lag an einem Hang mit Blick auf das Leinetal. Der Platz ist nicht weit von der Autobahn entfernt, aber weit genug, dass man diese nur als Hintergrundrauschen wahrnimmt. Ansonsten war dort eher wenig los, was uns aber ganz gelegen kam.

Aussicht

Wir richteten unsere Schlafkoje ein, und bereiteten unser Abendessen zu. Ich hatte Nudelsalat gemacht und wir haben Würstchen mitgenommen. Beim Essen genossen wir die noch unverstellte Aussicht. Dabei leisteten uns Vögel und Kaninchen Gesellschaft, die auf dem Platz die Chefs waren, so lange keine Camper da waren. Später kamen noch Wohnwagen - ebenfalls auf der Durchreise - hinzu.

Nach dem Essen machte ich mir einen Tee und der Herr Lebensabschnittsgefährte schnappte sich sein Bier. Knabberzeug hatten wir auch dabei. Wir setzt uns auf eine der Bänke, die am Rand des Campinplatzes stehen und einen unverstellten Blick aufs Tal ermöglichen. Dort ließen wir den Abend ausklingen.

Ich wurde gegen halb Vier wach und musste zur Toilette. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Vögel so laut morgens singen hören. Die Luft war voll mit Vogelgebrüll - anders kann ich das gar nicht ausdrücken. Der Himmel war sternenklar und es begann ganz leicht zu dämmern. Wenn ich nicht noch so müde gewesen wäre, hätte ich meinen ersten Kaffee gemacht, den Vögeln noch weiter zugehört und der Sonne beim Aufgehen zugesehen. Aber ich ging zurück ins Bett und versuchte einzuschlafen, bis der Wecker um 7 Uhr klingelte.

Corona-Auflagen

Im Großen und Ganzen kann man auf dem Campingplatz das Coronavirus und den ganzen Mist ganz gut vergessen. Beim Camping halten die Leute naturgemäß einen gewissen Abstand zum Nachbarn und da man die ganze Zeit draußen ist, braucht man auch keinen MNS zu tragen, außer in den Gemeinschaftsräumen. Hier war auch noch jedes zweite Waschbecken und jede zweite Duschkabine gesperrt. Aber da die meisten mit Wohnwagen oder Wohnmobil unterwegs sind und daher ohnehin ihr eigenes Bad dabei haben, war in den Sanitärräumen eh fast nichts los.

Wir standen früh auf und gingen als erstes duschen, danach gab es Frühstück. Ein Wohnwagen auf der Durchreise, am Vorabend angekommen, war bereits fertig gepackt und wollte abreisen. Das Gespann wirkte schon von weitem ein wenig unproportional, ein ziemlich großer Wohnwagen an einem eher kleinen Kombi, der ziemlich überladen und mit zuviel Anhängerlast wirkte: Auto hinten, Wohnwagen vorne tiefer. Da wunderte es wenig, dass der auf der abschüssigen und zudem vom Morgentau noch feuchten Wiese nicht vom Fleck kam. Der Lebensabschnittsgefährte und ich witzelten herum. Wir gucken zurzeit die Serie Ice Road Rescue auf dem Disney-Channel, wo es um Schwerlastbergung auf den norwegischen Winterstraßen im Gebirge geht. Die Serie ist typisch amerikanisch aufgemacht, dadurch ziemlich nervig und eigentlich nur der Norweger, der Berge und des Schnees wegen guckbar. Immer wieder wird dasselbe erzählt, auch gerne mehrfach in einer Folge. Natürlich ist jede Bergung hochdramatisch, die Fahrzeuge werden über Seilwinden, teilweise noch über Flaschenzüge mit Hilfe von Bäumen aus dem Graben gezogen und mindestens dreimal pro Folge wird erklärt, dass die Antriebswelle ausgebaut werden muss, um den Lkw beim Abschleppen nicht zu gefährden. Und eben jene Standard-Texte gaben wir jetzt auch wieder und amüsierten uns köstlich dabei. Irgendwann kramte der Fahrer eine Rangierhilfe heraus und schaffte es damit, den Wohnwagen auf den Weg zubekommen.

Skyline FFM

Kurze Zeit später war auch bei uns alles im Auto verstaut, der Qashqai vollgetankt und wir auf dem Weg nach Frankfurt, wo wir gegen 11 Uhr ankamen. Unterwegs gab’s wieder Stau und Baustellen, allerdings war es nicht so schlimm wie am Tag zuvor. Bei den Schwiegereltern gab es leckeren Kuchen und leckeres Essen und nochmal leckeren Kuchen und natürlich auch Kaffee, das alles begleitet vom wieder eingesetzten Fluglärm auf der Terrasse.

Blick auf den Rhein

Gegen 15 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg. Wir wollten noch in die niederrheinische Zuckerrübensteppe, aber auch wieder die Nacht vorher auf einem Campingplatz verbringen. Und damit wir Montagmorgen nicht völlig erschlagen am Computer einschlafen, hatten wir geplant, auch an diesem Tag nicht allzu spät unsere Rast einzulegen.

Der Rhein

Unser Ziel war der Campingplatz in Bad Breisig am Rhein. Das Mittelrheintal ist sowieso immer einen Besuch wert und auf diesem Campingplatz haben wir 2017 im Rahmen einer Farradtour schon einmal übernachtet.

Der Platz ist zwar ziemlich groß, aber da er recht langgestreckt ist, merkt man das gar nicht, wenn man dort ist. Die meisten Gäste hier sind Dauercamper, aber natürlich gibt es auch Platz für Kurzzeitgäste und Durchreisende. Letztes Mal waren wir auf der Zeltwiese für Radfahrer etc., diesmal auf der großen Wiese, auf der man das Auto ebenfalls abstellen kann.

Unser Platz

Nachdem wir unser Blechzelt aufgeschlagen hatten, ließen wir es uns den Rest des Tages gutgehen. Wir spielten etwas, wir beobachteten die Vögel und versuchten am Bach, der neben der Wiese entlang fließt, den Eisvogel, den wir gehört haben, ausfindig zu machen - natürlich ohne Erfolg. Nach dem Abendessen gingen wir recht bald zu Bett, denn auch am nächsten Morgen klingelte wieder früh der Wecker und wir gingen noch vor allen anderen Duschen, um schon um 8 Uhr morgens wieder auf dem Weg nach Erkelenz zu sein.

Während wir packten, kam eine der Camperinnen vom Nachbarzelt bei uns vorbei und erkundigte sich vorsichtig nach unserem Autoumbau. Sie hatte wohl ebenfalls Interesse daran, sich ein Auto zuzulegen, das sie für Touren umbauen wollte. Ich erklärte ihr alles ausführlich und zeigte, was wir gemacht hatten und erklärte auch wie. Sie zeigte sich schwer beeindruckt von unserer zwar simplen aber sehr praktischen Konstruktion, mit der wir schon auf Island ab und zu Aufsehen erregten. So oft kommt es ja nicht vor, dass jemand auf einem Campingplatz im Pkw schläft.

Nach diesem Smalltalk ging es los. Wir fuhren die L87 bis zur A61. Immerhin ging das am Sonntagmorgen mal ohne Stau. Pünktlich waren wir aber trotzdem nicht, woran der blöde Tagebau, veraltertes Kartenmaterial und blöde Autobahnbeschilderungen schuld sind. Die Schilder helfen vielleicht Ortskundigen, Fremden leider nur mäßig.

Und dann meldete sich auch noch meine Blase, weswegen wir den Parkplatz “Am blauen Stein” ansteuerten.

Da wir falsch abgebogen sind, mussten wir auch noch um das Tagebauloch herumfahren. Immerhin hat man da eine grandiose Weitsicht, die aber nichts bringt, weil es nichts zu sehen gibt.

Weitsicht

Irgendwann hatten wir es endlich geschafft und waren beim darkinchen und seiner Familie. Die Hausherrin hatte ein opulentes Frühstück vorbereitet, das wir im Garten zu uns nahmen - sehr zur Freude der örtlichen Wespenpopulation. Nach etwa anderthalb Stunden mussten wir uns auch schon wieder verabschieden. Wir hatten noch einen weiten Weg vor uns und ein wenig Sorge, dass es recht voll werden könnte auf den Autobahnen.

Autobahn

Die Sorge war allerdings eher unbegründet. Obwohl Sonntagnachmittag war erstaunlich wenig los.

In Niedersachsen wurden wir vom Navi einmal von der Autobahn herunter und um einen Stau herum gelotst. Und während wir gerade durch den Kreis Vechta gurkten, erklärte der Nachrichtensprecher im Radio, dass im Kreis Vechta x Leute aufgrund eines lokalen Ausbruchs des Coronavirus in Quarantäne müssen. “Wir sind gerade im Kreis Vechta”, erklärte ich dem Lebensabschnittsgefährten. Unsere Hände gingen gleichzeitig zur Klimaanlage, um diese auf Umluft umzuschalten. Dann brachen wir in schallendes Gelächter aus über diese bescheuerte Aktion.

Ansonsten war wunderbares Durchkommen. Wie sich später herausstellte, fuhr eine Bekannte von uns an diesem Sonntag ebenfalls die Strecke von NRW nach Hamburg. Und ein weiterer Bekannter kam uns irgendwo zwischen Lübeck und Hamburg auf der A20 entgegen. Deutschland ist ein Dorf. ;)

Abfahrt A20 Rostock

Ab hier ist Zuhause! Die A20 ist die chilligste Autobahn, die ich kenne. Hier ist kaum noch etwas los und die Landschaft ändert sich auch schlagartig. Kurz hinter Lübeck mussten wir allerdings nochmal von der Autobahn runter, weil der Tank leer war.

MV

Das Land zum Leben - tut hier nur kaum jemand - und das ist auch gut so! Nach einem kleinen Stück über beschauliche Landstraßen an Feldern und Bäumen vorbei, fuhren wir noch den Rest nach Hause, wo wir schon gegen 19 Uhr ankamen.

Zuhause!

Wir ließen das anstrengende Wochenende ruhig auskligen. Knapp 1600 Kilometer waren wir gefahren, um die Mitglieder der “Kernfamilie” wiederzusehen. Kernfamilie ist ja auch so ein Wort, das vor der Pandemie kein Mensch benutzt hat geschweige denn kannte …

1594,3 KM

Montagmorgen zog es uns erstmal an den Strand. Nach so langer Abstinenz von der Küste und dem Möwengeschrei war das dringend nötig!

Ostseestrand