Life tastes good

Gestern waren zwei der Coca-Cola-Weihnachtstrucks in Krefeld. Zwar verabscheue ich das schwarze Gesöff, aber die rote Farbe, den Schriftzug etc. liebe ich. So habe ich bereits einiges an Merchandise-Artikel gesammelt: Kaffee-Service, Schüsseln, Cookie-Jar, Mini-Trucks, Untersetzer, verschiedene Stiftdosen und noch vieles mehr. Klar, dass die Weihnachtstrucks ein unbedingtes Muss waren! Da ich zuvor – wie jeden Samstag – Reiten war, kamen wir erst gegen 19:00 Uhr dort an (bis 20:00 Uhr sind sie geblieben).

Weihnachts-Truck

Kurz nach unserer Ankunft wurde zu einem Gewinnspiel aufgerufen, an dem Schatzi und ihre Freundin, die wir mitgenommen hatten, unbedingt teilnehmen wollten. Warum auch nicht, dachte ich, und ließ sie gewähren. In der Zwischenzeit machte ich ein paar Photos der hell erleuchteten Trucks.

Weihnachts-Truck

Als ich wieder zu den beiden stieß, hatte Schatzi soeben zwei Teilnahmekarten eingeworfen und der Sprecher verkündete gerade, dass im Falle einer Ziehung von zwei Karten, auf denen derselbe Name stand, die Person sofort disqualifiziert würde, da jede Person nur einmal teilnehmen dürfe. Meine Tochter gestand mir kleinlaut, dass sie zwei identische Karten eingeworfen hatte. „Warum hast du nicht eine auf meinen Namen ausgefüllt?“, fragte ich sie. „Haben wir doch, beide!“ Na toll. Da ich nie etwas gewinne, war klar, dass entweder gar keine oder – worst case – beide Karten mit meinem Namen gezogen werden würden.

Wenige Minuten später war es so weit. Vier Karten sollten gezogen werden. Aus diesen vier Personen wurden zwei Teams gebildet, die in der ersten Runde gegeneinander antreten mussten. Das Siegerteam sollte dann in der zweiten Runde gegeneinander spielen. Der Gewinn war eine Eintrittskarte für die Weltmeisterschaft der Fußballer im Jahre 2006. Super. Ich interessiere mich nicht im geringsten für Fußball. Als Trostpreis sollte dann unter den übrigen Karten ein ferngesteuerter Coca-Cola-Truck verlost werden. Den hätte ich gerne gehabt.

Weihnachtsmann

Die Ziehung begann. Als erstes wurde ein kleiner Junge gezogen, der aber leider nicht teilnehmen konnte, da er keinen Ausweis dabei hatte. Zwar wurde zuvor mindestens 25-mal erwähnt, dass dieser unbedingt von Nöten sei, da die FIFA-Karten personenbezogen ausgestellt werden (um bekannte Hooligans auszufiltern und den Schwarzmarkthändlern das Geschäft zu vermiesen), aber das hatte der Junge wohl überhört. Disqualifiziert. Als zweites wurde ein Mann gezogen, der sich auch ausweisen konnte. Der dritte Name kam mir bekannt vor. Er war identisch mit der Eintragung in meinem Personalausweis. Mir wurde schlecht. Während mein Herz mit lauten Plumpsen durch die Hose direkt auf den matschigen Boden klatschte, schoss mir gleichzeitig durch den Kopf, wie ultra peinlich es wird, falls mein Name nun noch einmal gezogen werden würde. Ganz Krefeld würde mit dem Finger auf mich zeigen! Das gesellschaftliche Aus wartete auf mich. In meinem Gesicht wurde es ziemlich warm, was vermutlich nicht an den Scheinwerfern lag, die vor der Bühne standen, zu welcher ich mich begeben musste. Erleichterung machte sich breit, als ein kleines Mädchen inklusive personalausweisbesitzender Mutter und Klaus gezogen wurden. Dieser Kelch war nochmal an mir vorübergegangen.

Dafür wurde mir nun bewusst, in welcher Situation ich mich befand. Ich wurde angestarrt von einem ganzen Matschplatz voller Leute, von denen mich die meisten um die Chance beneideten, vielleicht ein internationales Fußballspiel für Lau gucken zu können. Vor dieser Meute sollte ich gleich nicht nur Geschick und Gedächtnis, sondern auch noch Fußballwissen beweisen. Fußballwissen! Ich! Haha. Außerdem hatte ich eine schmutzige Hose an. Meine Stallhose vom Reiten nämlich noch, weil ich keine Lust hatte, mich umzuziehen und mir dachte, dass es in der Dunkelheit eh keiner merkt. Haha.

Die Teams wurden ausgelost. Klaus und ich bildeten eine Mannschaft, waren aber erst als zweites dran, weswegen wir hinter der Bühne in einem Zelt warten mussten. Klaus interessiert sich übrigens auch nicht für Fußball, gestand er mir, seine Frau hatte die Karte ausgefüllt. Na, da hat es ja die Richtigen erwischt. Unsere Konkurrenten mussten auf der Bühne ein Puzzle zusammenbauen, das aus Coca-Cola-Kisten mit aufgeklebten Pappbildern bestand. Der Sprecher laberte die ganze Zeit in sein Mikrophon, die Menge war verhältnismäßig ruhig. Team 1 benötigte etwas über zwei Minuten. Nun waren wir dran. Mir wurde flau im Magen. Ich hasse es im Rampenlicht zu stehen. Meine Hände, meine Knie und überhaupt alles zitterte, raus auf die Bühne – It’s show time!

Bühne

Während Klaus und ich die Kästen sortierten und stapelten, um sie zu dem ursprünglichen Bild zusammenzufügen, geschah hinter mir etwas, von dem ich zunächst glaubte, es mir nur einzubilden. Ich hörte die Leute meinen Namen rufen. Zwar verstümmelten sie ihn zur Kurzform, die ich überhaupt nicht mag, aber hey, ich hatte Fans! Unglaublich. Die „Steffi! Steffi!“-Chöre rissen überhaupt nicht ab. Und erst recht nicht, als der Sprecher verkündete, dass Klaus und ich im Finale waren. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, und entwickelte nun den Wunsch, diese verdammte Fußballkarte zu gewinnen – meinem Fanclub zuliebe. Blödsinnig eigentlich, denn viel lieber hätte ich die Coca-Cola-Artikel gehabt, die es als Trostpreis gab.

Das „Dreamteam“ Klaus und ich waren nun Gegner. Uns wurden sechs Fragen aus dem Fußballbereich gestellt und derjenige mit den meisten richtigen Antworten sollte das Ticket erhalten. Mir fiel wieder ein, dass ich ja gar nichts über Fußball weiß, als der Sprecher mir nach der Frage, ob ich denn Fußballfan sei, das Mikrophon unter die Nase hielt. Ach du lieber Himmel! Auch noch sprechen! Bekanntlich seit dem Besuch der Außerirdischen am vergangenen Montag ziemlich verschnupft, hat mich nun auch noch eine Heiserkeit befallen, die ich gerne das Feldbusch-Syndrom nenne, weil ich nämlich genau wie Frau Feldbusch klinge, wenn ich heiser und verschnupft bin. Und so piepste ich wahrheitsgemäß ins Mikrophon, dass ich eigentlich gar keinen Plan von Fußball habe und meine Tochter mir das ganze eingebrockt hat. Eine Welle der Enttäuschung schwappte mir von meiner Fanbase entgegen. Ich wandte mich in ihre Richtung und zuckte bedauernd mit den Schultern, das stimmte sie wieder gnädig und die „Steffi! Steffi!“-Chöre setzten erneut ein. Ein gutes Gefühl gibt das, ganz eindeutig, das muss ich an dieser Stelle doch einmal sagen. Die Leute mochten mich.

Bei den Fragen verkackte ich erwartungsgemäß. Ich wusste nur, dass die DFB-Auswahl 2006 in Berlin untergebracht werden wird und dass die BRD 1974 bevor sie Weltmeister wurde ein Vorrundenspiel gegen die DDR verlor (woher auch immer ich das wusste, aber ich wusste es). Klaus war etwas schlauer und hatte vier von den sechs Fragen richtig. Klaus hatte somit gewonnen, und ich gratulierte ihm. Anders dagegen verhielt sich mein Fanclub, der hat ihn mit Buh-Rufen bedacht. Fans können hart sein.

Ich bekam ein Coca-Cola-Blechschild zum Aufhängen mit colatrinkendem Weihnachtsmann darauf und der Aufschrift „Life tastes good“. Ausgerechnet! Außerdem ein Weihnachtspuzzle (von Coca-Cola) und eine handvoll Pins, die der Sprecher mir in die Jackentasche stopfte. Ich war zufrieden, winkte meinen Fans noch einmal zu und ging von der Bühne, erneut begleitet von „Steffi! Steffi!“-Chören und der Aufforderung, meine Handynummer bekannt zu geben. Saubande! Während ich mich aus dem Staub machte, hörte ich über Lautsprecher, wie Klaus sein Coming-Out als Eishockey-Fan hatte, was ihm weitere Buh-Rufe einbracht. Armer Klaus.

Als ich in den folgenden fünfzehn Minuten zum zweiten Mal von wildfremden Personen auf meinen Auftritt angequatscht wurde, verließen wir den Matschplatz fluchtartig Richtung Straßenbahnhaltestelle. Von dort aus hatten wir ohnehin den besten Blick auf die ausfahrenden Trucks. Der harte Kern meines Fanclubs, bestehend aus vier jungen Männern, fuhr in derselben Bahn wie wir, so dass auch dort, wie schon zuvor an der Haltestelle, mein Name mehrmals fiel. Peinlich. An der Rheinstraße trennten sich endlich unsere Wege und wir konnten in Ruhe nach Hause fahren.

Weihnachts-Trucks fahren vom Platz

Das Blechschild werde ich in meinem Zimmer aufhängen, ebenso wie das zusammengesetzte und eingerahmte Puzzle. Wie gesagt mag ich diese ganzen Coca-Cola-Artikel drumrum. Nur die Brühe selbst nicht.

Die Trucks – deretwegen ich ja eigentlich da war – waren übrigens schön.