Von Bergen nach Flåm

Besonders gut geschlafen habe ich in dieser Nacht nicht. Unten im Gebäude, in dem das Hostel ist, ist eine Sportsbar. Von den Geräuschen, die für gewöhnlich innerhalb einer solchen Bar entstehen, bekamen wir zwar absolut nichts mit, aber dafür umso mehr von der norwegischen Art der Mülltrennung. Die haben einen gemeinsamen Sammelbehälter für Glas und Plastik. Und wie ich hören musste, hat die Sportsbar im Hof des Gebäudes einen großen Müllcontainer stehen, in den die Mitarbeiter die leeren Flaschen schmeißen. Und das ist fast wörtlich zu verstehen. Die brachten mehrmals am Abend die leeren Flaschen in den Hof. Keine Ahnung, wie die die in der Bar sammeln, das klang jedenfalls, als würde ein Altglas-Container bei uns in Deutschland auf den Lkw geleert. Und das um 23 und um 1 Uhr nachts! Ich stand jedes Mal senkrecht im Bett, kurz vor einem Herzinfarkt. Und unter dem Einfluss von Adrenalin schläft es sich bekanntlich nicht so gut. Und irgendwann hat sich auch noch ein anderer Gast in der Tür geirrt. Man hörte erst das Durchziehen der Karte, was ich gar nicht identifizieren konnte im Halbschlaf, aber als die Türklinke runtergedrückt wurde und jemand wie ein Berserker an der Tür zog, war ich erneut wach, bis in die Haarspitzen mit Adrenalin vollgepumpt und zudem mit Mörderlaune ausgestattet. Zum Glück für den Unbekannten blieb die Tür aber zu. Ab 2 Uhr nachts war es dann endlich ruhig.

Den Wecker hatten wir auf 7 Uhr gestellt, um halb Sieben waren wir aber bereits mehr oder weniger wach. Lust zum Aufstehen hatte ich allerdings noch nicht. Half alles nichts, um 08:39 Uhr fuhr unser Zug. Ich stolperte schlaftrunken in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. In der TV-Ecke saß noch oder schon jemand. Ich machte mir meinen Kaffee, deklarierte die übrige Milch als “free”, damit andere Gäste sie aufbrauchen konnten, füllte den Orangensaft in eine leere Halbliterflasche um und schluffte mit Kaffee, Saft und Käse zurück zum Zimmer. Ein Kraftakt. Ich hatte das Gefühl, bereits Übermenschliches geleistet zu haben.

Bahnhof Bergen außen

Nachdem ich meine Kaffeetasse geleert hatte, schleppte ich meine Gebeine unter die Dusche. Urlaub ist immer so unglaublich anstrengend. Nach der Dusche ging es etwas besser - wie immer. Das meiste von unserem Krempel hatten wir am Vortag schon gepackt. Jetzt packten wir den Rest und machten uns auf den Weg zum Bahnhof. Dort holten wir uns ein paar Brötchen und noch einen großen Kaffee für mich. Frühstücken wollten wir im Zug. Dieser stand zwar schon bereit, wir mussten aber noch ein wenig warten, bis wir einsteigen durften.

Bahnhof Bergen innen

Wir fanden einen Platz, der uns zusagte, und ließen uns nieder. Erst als der Kontrolleur kam, bemerkten wir, dass wir eigentlich Sitzplätze reserviert hatten. Aber jetzt hatten wir keine Lust mehr umzuziehen, wir blieben sitzen.

Die Fahrt in die Berge war unglaublich! Bahnfahren in Norwegen ist der absolute Hammer! Die Landschaft ist so unglaublich schön, man kann sich gar nicht satt sehen daran. Und wie schon auf der Strecke von Oslo nach Trondheim, so auch jetzt macht sich bisweilen eine andächtige Stille breit, wenn sich Norwegen mal wieder von seiner schönsten Seite zeigt. Außer uns war noch eine Gruppe von fünf Koreanern im Abteil. Die verteilten sich auf die fünf Fenster des Großraumwagens und klebten jeder mit Kamera bzw. Smartphone bewaffnet an den Fenstern. In Voss stiegen sie aus und bis Myrdal hatten wir den Wagen für uns.

Bahnhof Myrdal

In Myrdal stiegen wir um in die Flåmsbana. Die Bahn diente ursprünglich dem Gütertransport und wurde vor knapp 100 Jahren gebaut. Auf ihren 20 Kilometern Strecke überwindet sie einen Höhenunterschied von 864 Metern und benötigt dafür rund eine Stunde. Die Tunnel wurden von Hand in den Berg gehauen. Heute wird die eingleisige Strecke in erster Linie als Touristen-Attraktion betrieben. Und auch wenn wir uns für gewöhnlich von den Touristen-Hotspots fernhalten, hat sich die Fahrt mit der Flåmsbana auf jeden Fall gelohnt! Außerhalb der sommerlichen Hochsaison ist der Zug auch nicht so fürchterlich überlaufen.

Der alte Zug fährt in recht gemütlichem Tempo den Berg runter. Das hat Vorteile für die Touristen, ist aber aufgrund der steilen Strecke auch geboten. Damit er das überhaupt schafft, gibt es eine Lok vorne und eine hinten. An zwei Stellen, wo seitliche Öffnungen im Tunnel sind und sich ein atemberaubender Blick auf die Landschaft bietet, wird dies vorher durchgesagt und der Zug fährt noch langsamer.

Am Kjofossen hält der Zug außerdem an und macht ein paar Minuten Pause, damit die Touristen die Möglichkeit haben, den Wasserfall zu photographieren. Davon haben natürlich auch wir Gebrauch gemacht.

Die Fahrt ins Tal ist einfach unglaublich und der Trip hat sich auf jeden Fall gelohnt.

In Flåm angekommen, findet der übliche Touristenzirkus statt. Verstärkt wird das noch durch die ganzen asiatischen Touristen, die zu dieser Jahreszeit in Scharen unterwegs sind und alles in Scharen belegen, laut schnatternd, wenig Rücksicht nehmend und in Scharen leider auch ziemlich nervig.

Flåm - Blick auf den Fjord

Wir suchten zunächst die Touristeninformation auf, um Tickets für eine Fjordtour zu kaufen. Außerdem wollten wir am nächsten Morgen auch noch eine kleine Tour machen. Unsere Zugtickets hatten wir eigens so gebucht, dass das alles zeitlich passt. Anschließend liefen wir ein wenig unentschlossen herum. Viel gab es hier nicht zu sehen. Flåm selbst hat nur 450 Einwohner und die wohnen nicht alle direkt am Wasser. Ansonsten gibt es nur Touristenzirkus. Wir gingen noch einkaufen, damit wir genug Brot für den Abend hatten, dann gingen wir ins Toget-Café, wo wir eine Kleinigkeit essen wollten.

Bis zur Abfahrt der Fähre liefen wir dann noch ein wenig im Ort herum.

Fähre nach Gudwangen

Auch diese Tour war atemberaubend! Mit der Future of the Fjords fuhren wir ein Stück durch den Aurlandsfjord und bogen dann nach links ab in den Nærøyfjord. Beides sind Nebenarme des Sognefjord, der mit über 200 km der längste und mit über 1.300 Metern auch der tiefste Fjord Kontinentaleuropas ist.

Nærøyfjord

Als wir da um die Ecke in den Nærøyfjord gebogen sind, stand ich gerade vorne auf der Fähre. Hui, da bekam ich aber den Wind von vorne! Der fegt da ziemlich krass durch den schmalen Fjord! Der Nærøyfjord ist 17 km lang und an seiner schmalsten Stelle nur 250 Meter breit. Die Berge türmen sich rechts und links bis zu 1700 Meter steil auf. Dadurch wirkt der Fjord, der der schmalste in Europa ist, sehr bedrohlich, insbesondere bei dem herbstlichen Licht.

Nærøyfjord

Am Ende des Fjordes liegt der kleine Ort Gudvangen, den vermutlich keiner kennen würde, würde er nicht an diesem imposanten Fjord liegen.

Tatsächlich gibt es in Gudvangen auch nicht viel zu sehen. Eine Handvoll Menschen leben hier und im Sommer ist der Ort ebenso wie Flåm überlaufen von Touristen, die busweise rangekarrt und zu Hunderten von Kreuzfahrtschiffen ausgespuckt werden. Nichts, was ich mir jemals ansehen möchte.

Bei der ganzen Tour sind mir vor allem zwei Frauen aufgefallen. Die waren schon vor der Abfahrt in Flåm mit nichts anderem als dem Erstellen von Photos beschäftigt. Dabei hat sich die eine in ihrem silbernen Alufolienjäckchen vor allen möglichen Motiven in Pose geschmissen und die andere hat geknipst. Ohne Unterbrechung. Und das haben die beiden auch die ganze Zeit auf dem Schiff gemacht. Ohne Pause. Von der Landschaft haben die vermutlich gar nichts mitbekommen, was nicht rechts und links neben dem Silberjäckchen auf den Photos zu sehen ist. Eine seltsame Art Urlaub zu machen.

Für die Fahrt zurück nach Flåm hatten wir einen Bustransfer gebucht. Zwar hätten wir es toll gefunden, auch noch etwas von der Landschaft zu sehen, aber die einzigen Straße, die von Gudvangen nach Flåm führt, geht komplett durch zwei Tunnel. Das kurze Stück Luft schnappen dazwischen bekommt man kaum mit.

Als wir zurück in Flåm waren, war es schon ziemlich dunkel. Wir machten uns auf den Weg zu unserer Unterkunft, die ein Stück weiter im Tal liegt. Ich bin mir sicher, dass man hier extrem viele Sterne sehen kann. Aber leider regnete es mal wieder, so dass wir außer nassem Asphalt eigentlich gar nichts sahen. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir endlich da. Nun mussten wir nur noch anrufen, damit auch jemand kam, um uns herein zu lassen. In der Zwischenzeit machten wir Photos von außen.

Es dauerte nicht sehr lange, bis die Rezeptionistin auf dem Fahrrad angefahren kam. Wir checkten ein und bezahlten, dann bezogen wir unser Zimmer, das recht gemütlich war.

Die Treppe nach unten war etwas abenteuerlich und nicht gerade barrierefrei.

Treppe

Der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss war mit einer Sitzgruppe, einem Esstisch und einer Küche ausgestattet und ebenfalls recht gemütlich - mit eigenwilliger Lampe.

Lampe

Wir gingen recht früh zu Bett. Für den nächsten Vormittag hatten wir ja auch noch einen Ausflug gebucht und anschließend die Zugfahrt nach Oslo vor uns. Der Tag würde also anstrengend werden.

Hier noch die Galerie des Lebensabschnittsgefährten: