Die abgebrochene Schottlandreise
Die Fahrt stand von Anfang an unter keinem guten Stern, zunächst wegen meiner Krankheit und dann war bis zum Tag vor der Abreise noch nicht klar, ob wir überhaupt fahren können, weil es ein Problem mit dem Auto gibt. Am Donnerstag gab die Werkstatt dann grünes Licht und an meine Medikamente habe ich mich auch gut genug gewöhnt, dass wir die Reise antreten können, also packen wir Donnerstagabend und Freitagmittag das Auto voll.
Und während wir das wenige Minuten vor Abreise noch tun, kommt der DHL und bringt den neuen Lüfter für meinen Laptop. Der alte funktioniert zwar wieder, nachdem wir den Laptop einmal zerlegt und wieder zusammengebaut haben, aber sicherheitshalber packen wir Werkzeug und den Ersatzlüfter mit ein, denn der Fehler trat nicht zum ersten Mal auf.
Gegen 16:10 Uhr fahren wir los, erstmal Tanken, AdBlu auffüllen, Scheiben putzen, Luft auffüllen, da war etwas wenig drin. Die Motorleuchte ging auf der Fahrt zur Tanke an, wir löschen den Fehler und fahren auf die Autobahn gen Westen. Wir kommen ziemlich gut durch. Es regnet zwar ununterbrochen, aber es ist wenig los. Bei Lübeck gibt es einen kurzen Stau wegen Baustelle, ansonsten läuft alles problemlos. Wir fahren bis Heidenau, das kurz hinter Hamburg liegt. Dort gibt es neben einem Acker eine kleine brachliegende Fläche mit Betonresten im Boden, vielleicht eine Lagerfläche vom Bauern oder sowas. Jedenfalls bleiben wir dort stehen. Kurz nach uns kommt noch ein ein Wohnmobil und später am Abend noch ein weiteres.
231 Kilometer sind wir am ersten Tag gefahren. Ich habe kein einziges Autobahn-Photo gemacht. Ich bin ziemlich fertig und habe dringend Schlaf nachzuholen. Es gibt noch Abendbrot und dann gehen wir auch schon ins Bett. Der Herr Lebensabschnittsgefährte guckt noch irgendeine Serie, ich schlafe schnell ein.
Gegen sieben Uhr werden wir wach. Ich habe wirklich gut geschlafen und fühle mich erholt und fit für den Urlaub. Um 07:40 Uhr Abfahrt, fünf Minuten später sind wir auf der Autobahn.
Kurz darauf ging die Motorkontrollleuchte an. Diesmal ein anderer Fehler. Auch diesen gelöscht, weiter gefahren, Fehler blieb erstmal weg. Normales Fahren macht dem Auto nichts aus, wir können stundenlang auf der Autobahn fahren. Aber Auto abstellen und anschließend ein paar Mal Gas geben und wieder bremsen (typischer Stadtverkehr) lösen die Motorkontrollleuchte aus. Wir fahren weiter und wollen die nächsten Tage beobachten und am Montag bei der Werkstatt anrufen. Schlimmstenfalls fahren wir Montag mit der nächsten Fähre zurück.
Mittlerweile kann ich mich typischem Reisezeugs widmen, zum Beispiel Photos knipsen und Rastplätze für Pinkelpausen nach dem Namen auswählen, um Material für die Galerie zu sammeln. Ansonsten Regen, Regen, Regen, Regen aber immerhin ist es etwas wärmer. Wir hören Podcasts während der Fahrt. Ich navigiere, der Mann fährt. Bei Cloppenburg verlassen wir die Autobahn und setzen unseren Weg über Bundesstraßen fort.
Kurz vor der niederländischen Grenze will der Mann zunächst einen Lkw überholen, bricht den Überholvorgang jedoch ab, weil wir nicht schnell genug vorwärts kommen. Trotz durchgetretenem Gaspedal beschleunigt das Auto nicht. Dafür ist der neue Fehler von vorhin wieder da. Als der Herr Lebensabschnittsgefährte kurz darauf einen Trecker überholt, funktioniert das nur, weil reichlich Platz zum Überholen ist.
Nun überkommen uns heftigste Zweifel, ob der Plan so gut ist, mit diesem Auto einen Roadtrip durch Schottland zu veranstalten. Und wir entscheiden schweren Herzens, dass dieser Plan nicht gut ist. Bis zur niederländischen Grenze wären es noch etwa 20 Kilometer.
In Meppen beim Parkplatz vom Fußballstadion machen wir eine kurze Rast. Wir buchen die Fähre um. Da der Mann nicht einfach eine vierwöchige Reise im Frühjahr buchen kann, ohne vorher den Termin auf der Arbeit zu klären, buchen wir die Fähre auf unseren Weihnachtsurlaub um. Die Reederei ist dieselbe, die auch von Rostock nach Trelleborg fährt, daher ist das problemlos möglich. Die Umbuchung kostet Gebühr, wir buchen ja stets ganz siegessicher “economy”, und es wird vermutlich die teuerste Überfahrt, die wir je nach Schweden hatten, aber das ist immer noch besser als verfallen lassen. Schottland verschieben wir auf nächstes Jahr.
Auf dem Rückweg zur Autobahn taucht gleich das nächste Problem auf: Das Autoradio hängt. Musik dudelt, geht nicht lauter oder leiser, Senderwechsel geht nicht, Bluetooth geht nicht, Powerknopf macht Ruhe, aber Radio ist nicht wirklich aus, das Logo steht da immer noch. Das ist jetzt zwar kein besorgniserregender Zustand, aber da man nie so genau weiß, was alles mit wem zusammenhängt, wollen wir das auch nicht so lassen. Vor uns liegt eine Bushhaltestelle, die wir kurz als Pannenstreifen missbrauchen. Laut Busfahrplan haben wir mindestens 20 Minuten Zeit.
Wir schalten das Auto aus, ziehen den Schlüssel ab, steigen aus und schließen den Wagen ab. Das ist die einzige uns bekannte Möglichkeit, das Elektronikzeugs im Auto neu zu starten, bringt aber leider nichts. Wir machen uns auf die Suche nach der richtigen Sicherung. Ein modernes Auto hat unglaublich viele Sicherungen.
Die gesuchte Sicherung soll im Fahrerfußraum zu finden sein. Da an der Straße ziemlich viel Lkw-Verkehr ist, ist es zu gefährlich, mit geöffneter Fahrertür herumzuhantieren, weswegen der Mann quer über die Sitze kopfüber im Fußraum hängt.
Während er das tut, kümmere ich mich um einen eingerissenen Fingernagel. Dazu öffne ich die Heckklappe, suche das Manikürezeugs, schneide den Nagel ab und feile ihn glatt. Wenn das nicht das Pannenszenario an der Bundesstraße rechtfertigt, was bitte dann?
Sicherung raus und wieder rein bringt’s. Jetzt ist zwar alles auf englisch aber es funktioniert. Und im Menü lässt sich die Sprache auch wieder umstellen. Wir können zumindest in dieser Hinsicht beruhigt weiterfahren.
Vermutlich hat das nun gar nichts mit unserem anderen Problem zu tun, aber es macht sich leichte Endzeitstimmung breit. Das Auto ist erst 2,5 Jahre alt, aber vermittelt uns gerade das Gefühl, gleich völlig auseinander zu fallen. Wir wären schon ganz froh, wenn wir es heil bis nach Hause schaffen.
Wir benötigen noch zwei weitere Rastplätze auf der Rückfahrt. Bei einem davon gibt es auch Mittagessen, ich mache Chili warm. Beim zweiten gibt’s nur wieder Pipi und Kaffee.
Bis auf einen Stau bei Hamburg (Ebltunnel ist gesperrt), kommen wir gut bis nach Hause durch.
Die ganze Zeit regnet es, in Mecklenburg-Vorpommern regnet es in Strömen, was durchaus als Steigerung verstanden werden darf.
Erst als wir von der Autobahn runterfahren und auf der B 103 sind, die nach Rostock reinführt, hört es auf.
Ich bedaure es übrigens jedes Mal, dass das Ortseingangsschild nicht an der Brücke mit dem Greif steht.
Zuhause ist erstmal trübe Stimmung. Wir wissen nicht so richtig was mit uns anzufangen. Die Wetteraussichten für die kommende Woche sind trüb und das Auto wird so schnell nicht repariert. Der Herr Lebensabschnittsgefährte wird seinen Urlaub wohl etwas verkürzen.
Das ist jetzt die dritte Geburtstagsreise in Folge, die nicht nach Plan läuft.
- 2019 war die Welt noch in Ordnung.
- 2020 ist die Oktoberreise aus Gründen ganz ausgefallen.
- 2021 haben wir wegen der Heizung abgebrochen.
- 2022 ging es mir unterwegs nicht sonderlich gut und wir waren zwei oder drei Tage früher als geplant wieder zurück.
Vielleicht finde ich ja nun die Zeit, die Reise vom letzten Jahr zu verbloggen, dafür ging es mir unterwegs nämlich zu schlecht.
Zum Schluss noch ein wenig Statistik: 852 Kilometer sind wir gefahren. Für nichts.