Von Rotterdam nach London
Beinahe wären wir ohne unsere Rucksäcke weitergefahren. Das hätte ein unschönes Erwachen gegeben. Aber glücklicherweise fiel uns gerade noch rechtzeitig ein, dass wir erst zu den Schließfächern müssen, bevor wir in den Zug einsteigen können, und so sind wir gut eine Minute, bevor der Zug abfährt, endlich am Gleis.
Die Fahrt verläuft eher ruhig und schweigend. Wir sind müde und überwältigt. Rotterdam ist sehr interessant und Vieles hätte ich mir gerne genauer angeschaut. Vielleicht ergibt es sich ja mal wieder.
Viel Zeit haben wir in Hoek van Holland nicht. Auf einen Gang zum Strand verzichten wir daher und gehen lieber noch in den Supermarkt Albert Heijn, um uns dort noch etwas zu knabbern und zu trinken zu besorgen. Dann gehen wir zum Fährhafen. Die Stena Britannica liegt schon da und drüben über dem großen Rotterdamer Überseehafen geht die Sonne unter.
Im Terminal von Stena Line steht ein Hinweisschild, dass es in Harwich keinen Walkway gibt und wir stattdessen mit dem Bus von Bord und zum Terminal gebracht werden.
Wir checken ein und gehen an Bord, suchen unsere Kabine. Die ist ganz gut ausgestattet mit Wasserkocher und Tee, eine Minibar gibt es auch und natürlich Betten und das Bad.
Nach einer kurzen Erholungspause drehen wir noch einmal eine Runde durchs Schiff.
Beim Ablegen gehen wir an Deck. Mittlerweile ist es stockdunkel draußen.
Wir sind hundemüde und fallen ziemlich erschöpft in die Betten. Morgen wartet auch wieder ein anstrengender Tag.
Gegen 03:15 Uhr werde ich wach. Der Wecker klingelt um 04:15 Uhr, aufgrund der anderen Zeitzone ist es aber schon 05:15 Uhr. Um 05:30 Uhr ertönt der Weckruf in der Kabine: “Don’t worry be happy” plärrt aus dem Lautsprecher. Mein Kopf ist völlig durcheinander.
Beim Frühstück vergessen wir ein wenig die Zeit, plötzlich ist es schon 06:20 Uhr! Ich springe unter die Dusche und bin innerhalb von zwei Minuten fertig. Um 06:25 Uhr klopft es an der Kabinentür, während ich mit dem Fön kämpfe, der kaputt zu sein scheint und meine Haare sind noch nass. Hektik bricht aus, ich rubbele die Haare so gut es geht trocken, schmeisse allen Kram in den Rucksack und wir stürmen fluchtartig aus der Kabine. Meine Güte!
Den Steward, der uns den Weg weist, mache ich darauf aufmerksam, dass der Fön in Kabine 10109 defekt ist. Er nimmt mein Haupt in Augenschein und meint: “Your hair looks lovely!” und notiert sich die Kabinennummer.
Wir gehen auf Deck 9 und fahren mit dem Aufzug auf Deck 3, das Autodeck. Dort wartet bereits der angekündigte Bus zum Terminal, der Walkway ist ja nicht vorhanden. Am Terminal quäkt es aus dem Funkgerät: “We need to send the bus back on the ship. They found another two passengers.” Der Typ von Border Control guckt und sagt überrascht: “They found them”? Wo um alles in der Welt die gefunden wurden, bekommen wir nicht mehr mit, wir sind jetzt da und mit uns beschäftigt.
Wir müssen zu Fuß einmal quer durch den Bahnhof. Eigentlich war geplant, mit dem Zug von Harwich nach London zu fahren, aber aus irgendeinem Grund geht das nicht. Immerhin dürfen wir einen Zug sehen, wenn wir schon nicht damit fahren. Auf der anderen Seite parkt der Bus, in den steigen wir ein.
Es ist übrigens ziemlich merkwürdig, wenn der Busfahrer auf der falschen Seite sitzt und dementsprechend auch die Türen auf der falschen Seite des Busses sind. Da fällt man als Nicht-Brite ziemlich schnell auf, wenn man erstmal zur falschen Seite des Busses rennt.
Driving one hour in the wrong lane. Ich war nie zuvor in einem Land mit Rechtsverkehr. Ich bin aber ganz froh, gerade nicht selbst fahren zu müssen. Nicht nur die spiegelverkehrte Welt, auch der Hinweis “No hard shoulder for 290 yards” hätte mich überfordert. Und das liegt vermutlich nicht nur daran, dass ich zu wenig geschlafen habe. Die “harte Schulter” ist übrigens der Standstreifen.
Das englische Wetter zeigt sich bisher gar nicht mal so schlecht, wie sein Ruf ist.
Die Landschaft ist … eher langweilig. Autobahn halt, rechts und links etwas Grün. Interessanter wird es, als wir uns im Randgebiet von London befinden und in die Stadt hinein fahren.
Um kurz nach neun Uhr sind wir an der Liverpool Street Railway Station. Bis dort wären wir auch mit dem Zug gefahren. Zuerst gehen wir zur Gepäckaufgabe. Dort trifft uns allerdings der Schlag. Es würde uns knapp 20 Pfund, nach unserem Umrechnungskurs somit 23,12 kosten, unsere beiden Rucksäcke dort abzugeben. Da ist bei mir der Geiz ausgebrochen. Für 23 Euro schleppe ich meinen Rucksack auch durch die Stadt. In dem Moment sollte mich niemand nach meinem ersten Eindruck von London fragen.
Aber kaum verlassen wir den Bahnhof, sieht die Sache schon ganz anders aus. Alles ist neu, spannend und aufregend! Es ist zwar fraglich, ob ich den Tag überlebe, wenn die Briten weiterhin auf der falschen Seite Auto fahren, aber ich gebe mir große Mühe - und nutze bevorzugt Ampeln.
Wir brauchen erst einmal ein ordentliches Frühstück, damit wir für den anstrengenden Tag gewappnet sind. Der Herr Lebensabschnittsgefährte hat einen Laden rausgesucht, der sehr gute Bewertungen aufweist.
Der Laden selbst hat den Charme einer Bahnhofshalle aber in cool. Wir setzen uns an einen Zweiertisch, bestellen Kaffee und Tee sowie einmal Toast mit Rührei für mich und Pancakes mit Früchten und Vanilleeis für den Mann.
Das schmeckt genauso gut wie es aussieht! Und vielleicht sogar noch besser. Wir sind jedenfalls sehr zufrieden und satt. Der aufregende Tag kann jetzt beginnen. Vorher gehe ich aber noch aufs Klo, ein Erlebnis für sich.
Ich ärgere mich, dass ich keinen Stift dabei habe. Aber immerhin kann ich Photos für den Blog machen. Mit Lesen halte ich mich aber nicht allzu lange auf, wir haben ja nicht ewig Zeit. Und draußen vor der Türe warten schon etliche Leute, dass im Inneren ein Platz frei wird. Unser Timing war nämlich ziemlich gut, als wir rausgehen, ist die Schlange draußen ziemlich lang.
Wir passieren irgendwelche kleinen Nebenstraßen, deren Namen ich mir jetzt nicht merken kann.
Unsere nächsten Ziele sind typische Touristen-Ziele in der Londoner Innenstadt. Das gibt es dann im nächsten Beitrag zu lesen.