Tag 9: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Auf unserer Reise entlang der B 96 von Zittau nach Sassnitz haben wir uns, nachdem wir Berlin durchquert haben, kurzfristig entschlossen, auch die Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen. Und weil der Besuch nicht so recht ins Reisetagebuch passt, habe ich ihm einen eigenen Beitrag gewidmet.

Eingang

1936 wurde das Konzentrationslager Sachsenhausen errichtet und bis 1945 als solches genutzt. Mehr als 200.000 Menschen waren hier interniert, politische Gegner der Nationalsozialisten und solche, die vom Regime als “minderwertig” angesehen waren. Anfangs überwiegend Deutsche, später wurden hier auch ausländische Kriegsgefangene gefangen gehalten und hingerichtet. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit, Misshandlung, medizinische Versuche oder systematische Vernichtungsaktionen ums Leben.

Für letzteres wurde eine Genickschussanlage gebaut und ein mobiler Gaswagen kam zum Einsatz. 1942 wurde eine Vernichtungsanlage bestehend aus Genickschussanlage, Gaskammer und Krematorium gebaut. Der Eingang zum Konzentrationslager trägt den Namen “Turm A”. Von dort aus konnte mit einem einzigen Maschinengewehr jede der halbkreisförmig angeordneten Baracken beschossen werden. Als zynische Analogie auf den “Turm A” als Eingang, wurde die Vernichtungsanlage als “Station Z” bezeichnet.

Von 1945 bis 1950 diente das Konzentrationslager Sachsenhausen den Sowjets als “Speziallager”. Dort wurden all jene eingesperrt, die man als dem NS-Regime zugehörig deklarierte, SMT-Verurteilte, Straftäter und alle möglichen Leute, die dem Sowjet-Regime missfielen. Von den 60.000 Inhaftierten starben 12.000 an Hunger und Krankheiten. Viele Angehörige der Inhaftierten wussten nicht, ob und wo ein Vermisster Angehöriger inhaftiert war und ob er noch lebt. Die Namen der Verstorbenen wurden erst nach der Wende veröffentlicht.

Ab 1961 war das KZ Sachsenhausen auch in der DDR eine Gedenkstätte. Bis dahin wurde das Gelände der Verwarlosung und Zerstörung durch die Kasernierte Volkspolizei, die Nationale Volksarmee und die Bürger überlassen. Überlebende aus dem KZ haben dafür gesorgt, dass die Gedenkstätte erhalten bleibt. Seit 1993 ist die Gedenkstätte Sachsenhausen Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Der Eingang zum Häftlingslager, Turm A.

Arbeit macht frei

Natürlich mussten die Häftlinge auch zwangsarbeiten. Im Strafkommando “Klinkerwerk” mussten die Häftlinge ein Ziegelwerk errichten und dort Baustoffe für NS-Bauten produzieren. Im “Schuhläuferkommando” mussten Häftlinge tagelang in voller Montur und mit Gepäck auf einer Strecke mit verschiedenen Untergründen marschieren und so die Qualität der Schuhsohlen für die Wehrmacht zu testen.

Die Baracken wurden gesprengt und/oder abgerissen. Um sich eine Vorstellung davon machen zu können, wurden die Fundamente aus Metall mit Schotter nachgebildet.

Baracken-Grundriss

Am Galgen wurden Häftlinge “publikumswirksam” hingerichtet.

Hinrichtungsstätte/Galgen

Als die DDR die Gedenkstätte auf Drängen von Überlebenden aus dem KZ Sachsenhausen einrichtete, konnte sie dies selbstverständlich nicht tun, ohne den heldenhaften Einsatz der Roten Armee in Szene zu setzen. Die Zeit von 1945 bis 1950 wurde dabei eher unter den Teppich gekehrt.

Wir kommen zur Erschießungsanlage, die in die Erde eingelassen ist. Neben dem Eingang zur Anlage ist ein Gräberfeld mit der Asche der KZ-Opfer angelegt. Dort wurde zu KZ-Zeiten unter anderem die Asche aus dem Krematorium hingekippt.

Hinter der weißen Wand, die auf dem ersten Photo der Genickschussanlage zu sehen ist, befindet sich “Station Z”. Die Wand wurde errichtet, um die historischen Fundamentreste im Inneren vor der Witterung zu schützen. Gleichzeitig schaffen sie einen - wie ich finde - würdigen Rahmen für den Inhalt. Da wir das nicht geknipst haben, füge ich ein Bild der Außenansicht ein, dass es bei museum-digital:brandenburg im Download gibt.

Station Z, Herkunft/Rechte: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen / Udo Meinel (CC BY-NC-SA)

Photo-Herkunft/Rechte: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen / Udo Meinel (CC BY-NC-SA) / Quelle

Im Eingang steht man zunächst vor einer Betonwand, auf der der unten stehende Text zu lesen ist.

Text von Andrzej Szczyplorski, Häftling des KZ Sachsenhausen, 1995

Und noch eines weiß ich, dass ein künftiges Europa ohne Gedenken an all diejenigen - abgesehen von ihrer Nationalität - nicht existieren kann, die in der damaligen Zeit voller Verachtung und Hass umgebracht, zu Tode gefoltert, ausgehungert, vergast, verbrannt, aufgehängt wurden …

Andrzej Szczyplorski, Häftling des KZ Sachsenhausen, 1995

In den Öfen des Krematoriums von “Station Z” konnten täglich mehrere Hundert Leichen verbrannt werden. Ich weiß die Zahl nicht mehr sicher, weil das so unvorstellbar ist, und der Herr Lebensabschnittsgefährte weiß es auch nicht mehr. Laut Internet-Recherche waren es 600 in 24 Stunden.

Daneben war der Eingang zur Gaskammer und dahinter die Gaskammer selbst. Im Eingangsbereich mussten die Häftlinge sich ausziehen. In die nur 2,50 m x 3,50 m große Gaskammer wurden bis zu 30 Personen gewaltsam eingepfercht.

Puh, wir brauchen erst einmal frische Luft und gehen an der Außenmauer entlang Richtung Krankenrevier.

Die beiden Gebäude des Krankenreviers sind wohl noch original erhalten. In einem der Gebäude befindet sich eine Aussstellung dazu, was im Krankenrevier alles geschehen ist. Hier wurden nicht nur Kranke verarztet, hier wurden Zwangssterilisationen durchgeführt und Experimente an Lebenden durchgeführt.

In der Pathologie des Lagers sollten die Leichen obduziert werden. Das sollte dem Sterben einen Anschein von Legalität geben. Die Todesursache wurde ermittelt und auf dem Papier festgehalten. Goldzähne etc. wurden entfernt. Ferner war man auf der Suche nach anatomische Unterschieden zwischen den “Rassen”. Im Kellergewölbe gibt es mehrere Räume, alle gefliest, zur Aufbewahrung der Leichen, die noch seziert werden sollten. Es gab viel zu tun.

Seziertische

Es war unmöglich alle zu sezieren. Wir haben deshalb nur vorgeschriebenen Schnitte gemacht. Und dann haben wir gleich die Schnitte, ohne zu sezieren, wieder zugenäht.

Zitat im Eingangsbereich der Pathologie

Wir laufen hier nicht streng nach Plan herum, wir suchen uns die Ecken aus, in denen gerade weniger los ist, vor allem gehen wir den Gruppen der Führungen aus dem Weg. Eigentlich haben wir jetzt auch schon mehr als genug, aber zwei Dinge wollen wir uns noch anschauen, die wir anfangs aus eben erwähnten Gründen ausgelassen haben.

Auf dem Gelände gab es auch ein Zellenbau. Dort konnte man Lagerhäftlinge nochmal gesondert wegsperren, mit Dunkelarrest bestrafen oder an den Pfahl hängen. Außerdem inhaftierte die Gestapo hier auch hochrangige Gefangene aus Berlin. Einer von ursprünglich drei Flügeln des Gebäudes ist erhalten geblieben.

Nach dem Zellenbau gehen wir zum jüdischen Teil des Lagers, dem sogenannten “kleinen Lager”. Auf die jüdischen Baracken wurde ein 1992 ein Brandanschlag verübt. In den Gebäuden sieht man die Spuren noch und es riecht nach Brand. In beiden Gebäuden sind Ausstellungen, in der einen zur Geschichte der jüdischen Häftlinge in Sachsenhausen, in der anderen zum jüdischen Leben im Konzentrationslager. Sehr beklemmend dabei der Schlafsaal, der nach Zeugenaussagen rekonstruiert wurde.

Morgen vor 78 Jahren, am 8. Mai 1945, trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte in Kraft.