Auf nach Norwegen!
Wir hatten die Acht-Uhr-Fähre der TT-Line gebucht. Dementsprechend klingelte der Wecker am ersten Urlaubstag um 05:45 Uhr. Was für eine unchristliche Uhrzeit! Allerdings war ich vorher schon wach und entsprechend fit. Wir machten uns fertig, frühstückten ein wenig und packten noch den letzten Kleinkram zusammen. Um sieben Uhr saßen wir wie geplant im Auto und fuhren los.
Von den drei Check-in-Schaltern war nur einer geöffnet, es wurden offensichtlich nicht viele Pkw erwartet. Gekenntzeichnet sind geöffnete und geschlossene Schalter mit einem grünen Pfeil und einem roten X. Man sollte meinen, das sei international verständlich. Einem Transporterfahrer mit türkischem Kennzeichen und der Aufschrift “Freeze”, weswegen er im Folgenden “Mr Freeze” genannt wird, erschloss sich diese Symbolik nicht. Er stand vor dem linken der beiden geschlossenen Schalter, lief um sein Auto herum und zum geschlossenen Schalter und dem abgeschalteten Check-in-Automaten.
Mr Freeze war heillos überfordert. Die Frau aus dem Wohnmobil vor uns erbarmte sich seiner und stieg aus, um ihm mit Händen und Füßen zu erklären, was er tun sollte. Das Wohnmobil war fertig und fuhr los, wir waren nun dran. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne Mr Freeze gemacht. Anstatt sich hinten in der Schlange einzureihen, die nicht sonderlich lang war, ließ er seinen Transporter in der falschen Reihe stehen und stellte sich neben unser Fahrzeug vor den Automaten, tippte sein Zeug ein und ging zu seinem Auto zurück. Blöderweise öffnete sich nun aber die Schranke vor unserem Auto. Und wir konnten natürlich nicht fahren, wir mussten ja noch einchecken.
Mr Freeze stand noch ein wenig unentschlossen herum, dann gab er ziemlich viel Gas und raste durch die geöffnete Schranke seines geschlossenen Schalters, zog an uns vorbei und suchte verzweifelt die Lane, in die er sich einreihen musste. Als wir dort ankamen, stand er wieder mit der Frau vom Wohnmobil da und ließ sich erklären, wohin er fahren sollte. Vielleicht hatte der arme Mann für gewerbliche Auslandsfahrten nicht die nötigen Softskills.
Wir standen in Lane 17, die letzte für die TT-Line, vor uns ein Audi. Als wir endlich fahren durften, es war da bereits acht Uhr, fuhr eben dieser Audi im Schleichgang, kaum mehr als Schritttempo, zum Schiff. Der Hafenmitarbeiter gestikulierte wild, um ihm zu bedeuten, dass er wohl etwas schneller fahren solle. Mit rasanten 15 bis 20 km/h fuhren wir den weiten Weg von der Lane bis auf das Schiff und hatten Glück, dass wir überhaupt noch dort ankamen. Der nächste Hafenmitarbeiter gestikulierte wieder wild herum, damit der Typ weit genug nach vorne fuhr.
Anscheinend war auch dieser Fahrer zum ersten Mal an Bord einer Fähre. Geduld ist ohnehin nicht meine Stärke, so früh am Morgen steht mir diese Ressource noch gar nicht zur Verfügung. Mein Bedarf an Artgenossen war damit für diesen Tag bereits gedeckt.
Um kurz nach acht Uhr standen wir also auf dem Gang zu unserer Kabine, die wir eigens gebucht hatten, um nicht sechs Stunden mit FFP3-Maske mit anderen in einem Raum sitzen zu müssen. Wie erwartet waren wir die einzigen mit Maske, was die Wirkung derselben reduziert. Daher hatten wir eine Kabine gebucht, verbunden mit der Hoffnung, dass die Klimaanlage an Bord des Schiffes kein Superspreading-Tool ist. Im Gegensatz zur restlichen westlichen Welt vermeiden wir Infektionen nämlich immer noch, so gut wir nur können. Und das gilt - nebenbei bemerkt - nicht nur für das SarsCov2-Virus, auch all die anderen Erreger, die gerade im Umlauf sind, wollen wir nicht. Die Kabinen waren aber noch nicht fertig, weswegen wir an Deck gingen.
Trübe Suppe über Rostock machte den Aufenthalt an Deck ziemlich unspannend, man sah so ziemlich gar nichts.
Hier gibt es sogar eine Hundetoilette.
Ein Rettungsboot wurde gerade repariert. Hoffentlich würden wir es nicht benötigen.
Ein Trupp Gänse flog über uns hinweg.
Und die Kraniche flogen tief über der Warnow.
Um 08:35 Uhr legten wir ab.
- Die Scandlines-Fähre
- musste warten,
- bis die Wendeplatte frei war.
Gegen neun Uhr konnten wir dann endlich in die Kabine. Und ich freute mich aufs zweite Frühstück. Nicht nur, dass ich Hunger hatte, auch die Gemütlichkeit eines Frühstücks in der warmen Kabine war sehr verlockend - bis zu dem Moment, als ich feststellte, dass wir unseren Schokoaufstrich vergessen hatten und deswegen außer trockenem Brot und einer Mandarine sowie ein paar Weihnachtsplätzchen nichts dabei hatten. Als war dies noch nicht genug, stellte ich als nächstes fest, dass ich zwar mein Notizbuch aber keinerlei Schreibgerät dabei hatte, um die bisherigen Ereignisse für die Nachwelt festzuhalten. Meine Laune fiel schlagartig ins unterste Autodeck.
Missmutig kaute ich auf einem Stück trockenem Brot herum. Um 09:30 Uhr öffnete der Bordshop und der Herr Lebensabschnittsgefährte pilgerte dorthin in der Hoffnung auf irgendetwas, mit dem sich unser Brot belegen ließ. Die Hoffnung wurde zwar enttäuscht, außer Süßkram, Parfüm und Alkohol gibt es dort nichts, aber immerhin brachte er mir einen Kugelschreiber mit. Wenigstens dieser Teil der Welt war wieder in Ordnung. Wir aßen noch eine Scheibe trockenen Brotes, tranken lauwarmen Tee - die Thermoskanne ist auch nicht mehr, was sie mal war -, dann legten wir die Füße hoch und guckten einen Film bzw. hörten Podcasts.
Zu sehen gab es auch nichts. Die ganze Zeit über blieb es neblig und trüb.
Der Heizungsregler heißt Controlli.
Mit der Mandarine und den Weihnachtsplätzchen hielten wir die Stimmung halbwegs aufrecht, als es aufs Mittagessen zuging. Mein Bürohengst ist pünktliche Mahlzeiten gewohnt, da versteht er wenig Spaß. Und ich bin ebenfalls, wie hungrige Menschen oft so sind: ungenießbar.
Trotz verspäteter Abfahrt waren wir relativ pünktlich in Trelleborg. Die See war ruhig, die Aussicht langweilig, da es die gesamte Überfahrt neblig und diesig war.
Die Gänge waren voll mit den Menschen, die zum Autodeck wollten. Die Treppe nach unten war leer. Wir gingen hinunter und drückten auf den Knopf zum Öffnen der Türe und - Sesam öffne dich! - sie ging auf. Als wir im Auto saßen, kamen alle anderen hinterher. Ob die uns beobachtet hatten oder es eine Durchsage gab, weiß ich nicht.
Im Auto wäre ich fast erstickt. Einige Autofahrer hatten bereits den Motor angelassen. Wir hatten noch nicht einmal angelegt. Manche ließen da locker 15 - 20 Minuten, wenn nicht sogar noch länger, den Motor laufen. Ungefähr eine halbe Stunde saßen wir im Auto, bevor es endlich losging. Wir wurden angewiesen, rückwärts zu fahren und dann die Rampe links von uns nach unten zu nehmen. Das hatten wir in der Form auch noch nicht erlebt, normalerweise senkt sich die Rampe ab, aber es waren auch noch nicht alle Lkw aus den Decks unter uns vom Schiff runter.
An der Zoll- und Passkontrolle begegnete uns ein alter Bekannter, der erneut durch kurioses Verhalten auffiel: Mr Freeze kurvte dort gerade im Rückwärtsgang herum, als wir um die Ecke bogen. Er hatte sich mal wieder auf der falschen Spur eingereiht, hinter den großen Lkw, die durch die Röntgenanlage fahren.
“Meine Güte, ist der Typ durch und unbeholfen. Karma wäre ja, wenn die den gründlich filzen, damit er den Zeitverlust erleidet, den er anderen beschert hat.” Meine Geduld mit Mitmenschen war immer noch limitiert. Dann nervte ich den Lebensabschnittsgefährten, ob er denn auch seinen Ausweis am Mann hätte, falls wir kontrolliert werden. Hatte er natürlich. Wo denn meiner sei. Ich kramte und suchte und wurde hektisch: “Hinten drin, in meiner Jacke.” Nun, zum Anhalten und Aussteigen war es nun zu spät. Wenn der Grenzer meinen Ausweis würde sehen wollen, musste ich halt da schnell aussteigen. Unsere Ausweise wurden allerdings gar nicht kontrolliert, wir wurden nur gefragt, was das Ziel unserer Reise sei und ob wir Tabak oder Alkohol an Bord hätten.
Wir waren in Schweden und das trübe Wetter war mit uns. Auf der E6 fuhren wir Richtung Norden. Bei der Burgerkette Max in Malmö gab’s erst einmal Mittagessen. Auf dem Schiff hatte ich schon geschaut, wo der nächste Max ist. Die Navigation hat mir eine interessante Route vorgeschlagen. Die Burger hier sind besser als die von den zwei bekannten Burgerbraterketten in Deutschland. Für Fastfood wirklich genießbar.
- Navigation
- Burger
- und Pommes
Mein Burger hatte optisch ein wenig gelitten, da er nur in Papier eingewickelt unter der Schachtel des anderen Burgers in der Tüte lag und ich ebendiese etwas unsanft in den Camper gestellt hatte.
Als wir unsere Fahrt nach dem kurzen Stop fortsetzten, wurde es bereits dunkel. Sonnenuntergang war laut Wetter-App um 15:33 Uhr. Diesiges Wetter, Nebel und Dunkelheit machten die Fahrt ziemlich anstrengend. Der Tag war stressig und da wir keine Termine und auch auch konkretes Ziel hatten, uns somit Zeit lassen konnten, beschlossen wir bereits um 16:30 Uhr, dass der Rastplatz Susedalen, auf dem ich mich im Oktober 2021 von mir und der schlaflosen Überfahrt erholt hatte, zu übernachten. Um 17 Uhr waren wir dort angekommen.
Ich verstaute zunächst den ganzen Kleinkram, den wir morgens und auch am Abend zuvor noch ins Auto gepackt hatten. Das glich zu diesem Zeitpunkt schon einem hohen Tetris-Level, denn sämtliche Staufächer im Camper waren ziemlich voll. Aber kleine Lücken hier und da fand ich noch. Dann legte ich mich auf der Bank lang und hörte einen Podcast, während der Lebensabschnittsgefährte auf seinem Laptop etwas spielte. Nach dem Abendessen legten wir uns ins Bett, guckten noch eine Serie und schliefen ziemlich früh ein.
Zum Schluss noch die Statistik: 196 Kilometer sind wir an diesem Tag selbst gefahren.
Am nächsten Morgen waren wir schon vor sechs Uhr wach. Wir hatten hervorragend geschlafen. Wir bauten das Bett ab und machten Frühstück. Anschließend begann ich, diesen Blogbeitrag hier zu schreiben.
Gegen halb 10 machten wir uns auf den Weg.
Der Herr Lebensabschnittsgefährte fuhr die erste Etappe bis zum Rastplatz Ödmålsbron, dort wechselten wir.
- Fahrerwechsel
- mit Aussicht
- Parkplatz
Auf der Autobahn war nicht viel los. Ich hatte den Tempomat an und konnte meine Geschwindigkeit durchgehend halten.
Die Uddevallabron ist für mich immer ein markanter Punkt auf der Fahrt durch Schweden: Bald sind wir in Norwegen!
Das Wetter wechselte ständig zwischen “es gießt wie aus Eimern” und “es tröpfelt ein wenig”
Endlich in Norwegen!
- Grenze
- Stau
Hier wurde ebenfalls die Einreise kontrolliert und es war einiges los. Zu unserem Erstaunen haben sie uns diesmal nicht rausgewunken.
Wir fuhren bis zum Parkplatz Storebaug Øst in der Nähe von Most, um dort Mittagspause zu machen. Der Parkplatz war übrigens nicht geräumt und es war sauglatt.
Es gab von unseren selbsteingekochten Eintöpfen ein Möhrengemüse als Kontrastprogramm zum Burger vom Vortag.
Die nächste Etappe fuhr wieder der Lebensabschnittsgefährte.
Das Wetter wurde besser!
Was wir bei unserer Planung und dem Timing nicht bedacht hatten: Wir gerieten mitten in die Rushhour nach Oslo.
- Rushhour
- in Oslo
- dauert lange.
Etwa zwei Stunden lang standen wir nur in Stau und zähflüssigem Verkehr.
Und als hinter Oslo endlich die Straße etwas freier wurde, wie auf dem letzten Bild oben ja schon zu erkennen ist, kam auch schon das nächste Hindernis in Sicht: Schneepflüge.
Allerdings war das Schneepflug-Ballet ganz hübsch anzusehen. Bei jeder Abfahrt fuhr das rechte Fahrzeug raus, räumte und streute die Ab- und Auffahrt, während das linke Fahrzeug einen “Arm” über die rechte Fahrspur ausgeklappt hat, damit alle hinter ihm bleiben. Mit viel Schneegestöber kam das rechte Fahrzeug die Auffahrt zurück auf die Autobahn.
- Schneegestöber
- vom Schneepflug
- verursacht.
Als die beiden abfuhren und das “Kolonnekjøring light” beendet war, war die Straße zwar frei von bremsenden Fahrzeugen, allerdings nicht frei von Schnee, weswegen es eher gemächlich weiter ging.
Wir waren ziemlich kaputt und suchten eine Möglichkeit zum Übernachten. Da wir derzeit erstmal nur Kilometer machen wollen, denn eigentlich wären wir Heiligabend schon gerne am Polarkreis, suchten wir gar nicht erst lange nach einem geeigneten Stellplatz, sondern übernachteten auf einem Autobahnrastplatz.
- Unser Stellplatz
- im Schnee
- mit Mobiliar
Das mit dem Polarkreis an Heiligabend wird verrmutlich eh nicht mehr klappen, das Vorhaben haben wir während des Abendbrots schon auf den 1. Weihnachtstag verlegt, denn bis dahin sind es noch knapp 1000 Kilometer. Aber wer weiß, vielleicht würde ja noch unser kleines Weihnachtswunder passieren.
Zum Schluss wie immer die Statistik: 465 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren.
Und dann noch unsere bisherige Strecke auf der Karte, eine Farbe für jeden Tag: