Tag 18: Auf dem Inlandsvägen durch Schweden
Das Aufwachen war wieder recht frisch. In der Ecke zwischen Küchenzeile und Front war die Eisschicht etwas gewachsen.
Verwunderlich war das nicht. Dies war mit -25,8 °C unsere kälteste Nacht auf dieser Reise.
Trotzdem hatten wir nicht gefroren in der Nacht. Die Heizung und unsere dicke Winterdecke taten ihren Dienst.
Zum ersten Mal seit Weihnachten sollte es wieder einen Sonnenaufgang geben. Ich legte meine Sonnenbrille in der Fahrerkabine bereit. Wir fuhren ja gen Süden, eventuell würde sie uns blenden.
Abfahrt war um 09:45 Uhr bei -21 °C. Bis zum Ende des Parkplatzes bin ich gelaufen, was extrem erfrischend war bei diesen Temperaturen.
Mein Smartphone wusste das Licht immer noch nicht so richtig zu Photos zu verarbeiten und so entstand 50 Shades of White, wie ich das Bild taufte, während die Kamera alles in zartes Blau tünchte.
Es tummelte sich allerlei Zeug am Straßenrand, zum Beispiel ein Auto, das wohl von der Fahrbahn abgekommen war. Hier ein Photo aus dem Timelapse:
Ich hoffe, dem Fahrer geht es gut. Das Auto war mit rot-weißem Warnband umwickelt, von Türgriff zu Türgriff und hinten am Kofferraum. Wir fragten uns, ob das dem Zweck dienen sollte, dass jeder sofort erkennen kann, dass hier keine Hilfe mehr erforderlich ist.
Auch ein Trupp Raben war wieder zu sehen, der sich über ein verendetes Tier hermachte.
Den ersten (lebendigen) Elch erspähten wir auch recht bald am rechten Fahrbahnrand. Er war die Nummer neun auf unserem Elch-Counter.
Tja, Ratebilder aus dem Timelapse. Ein Schneehuhn flog von rechts nach links über die Fahrbahn vor unserem Auto. Komplett weißer Vogel mit schwarzen Schwanzfeder. Die sind so gut getarnt, wenn sie sich nicht bewegen würden, würden wir sie gar nicht bemerken.
Wir hatten zwischendurch auch mal die Plätze getauscht, ich fuhr und der Herr Lebensabschnittsgefährte knipste mit meiner Kamera. Allerdings konnte ich nicht lange fahren, wir mussten schon bald wieder tauschen. Das Weiß vor mir wurde immer konturloser, ich hatte Mühe, beim Abbiegen Einfahrten zu erkennen und irgendwann fiel es mir schwer, den Straßenverlauf noch richtig zu sehen und einzuschätzen. Wir tauschten wieder.
Auch das ist Schweden. Der Baumwald muss dem Strommastenwald weichen. Diese Einöde hier wird Ihnen präsentiert von Vattenfall.
Der Vollständigkeithalber sei erwähnt, dass auch wir unseren Strom von Vattenfall beziehen. Das hat der Markt so geregelt, die waren nämlich die günstigsten, als wir Ende letzten Jahres Vergleiche anstellten, nachdem unser bisheriger Anbieter den Preis nahezu verdreifacht hatte.
Der Strom, für den diese tiefen Narben in die Landschaft gerissen werden, gilt übrigens als nachhaltig. Das nachhaltige Musterland-Schweden verbrennt auch Bäume direkt, um daraus Strom zu gewinnen. Der Umwelt zu Liebe.
Wir waren am Polarkreis. Auf dem Parkplatz dort wollten wir etwas zu Mittag essen.
Ein Mann auf der Eisfläche angelte sich wohl auch gerade seine nächste Mahlzeit.
Tja, schnüff. Byebye, Arktis.
Parallel zur Straße führt auch die Inlandsbahn, heute eine Strecke, auf der nur noch Dampfzüge im Sommer und zu besonderen Anlässen fahren.
Die Ampeln und Kreuze der Bahnübergänge sahen mit ihren Schneehauben aus wie wilde Gesichter mit obskurer Kopfbedeckung aus irgendeinem Videospiel. Ich musste jedes Mal an Banjo-Kazooie denken.
Wir hielten uns ja schon für die absolut Harten, weil wir bei diesen Witterungsbedingungen unterwegs waren und nachts im Camper schliefen und so. Aber der Typ, der uns da entgegen gekämpft kam, wird bei mir irgendwo zwischen absoluter Hochachtung und komplett Wahnsinnig eingestuft.
Zweimal noch erspähte ich einen Elch auf den Flächen neben der Straße. Zu weit weg, um von der Timelapse-Kamera erfasst zu werden und zu spät erkannt und zu schnell daran vorbeigerast, um halbwegs brauchbare Bilder zu knipsen. So bleibt nur der verwischte Fleck auf dem grottigen Photo da oben vom ersten Elch. Beim zweiten habe ich es gar nicht mehr versucht. Aber im Elch-Counter werden sie trotzdem mitgezählt, da sind wir jetzt bei 11.
Es wurde langsam dunkel.
Uns wurde ja eigentlich ein Sonnenaufgang für heute versprochen. Aber das einzige Licht, das wir am Horizon sahen, war das Fernlicht entgegenkommender Autofahrer.
Schwer zu knipsen: Es schneite. Allerdings hatte es fast den ganzen Tag geschneit. Jetzt im Dunkeln aber glitzerten die winzigen Schneeflocken im Fernlicht von Bert. Es sah aus, als würden wir durch so eine Schüttelkugel fahren.
Plötzlich tauchte Gegenverkehr aus dem Dunkel auf, zwei Rentiere kamen uns entgegen und musterten den nur Dank ABS und anderer Assistenzsysteme zum Stehen kommenden Bert. So niedlich neugierig, wie sie ja immer stehen bleiben, wenn jemand anhält, so scheu sind sie, wenn man die Scheibe runter macht und “Hej” grüßt. Gucken gerne, ansprechen dann lieber doch nicht.
In der Dunkelheit freut man sich über jede Abwechslungs fürs Auge.
Wir wurden müde und suchten nach einer Möglichkeit, die Nacht zu verbringen.
In Slagnäs tankten wir erst einmal unser Auto auf an dieser alles notwendige beinhaltenden Dorftankstelle.
Der Tankvorgang geschah unter dem wachsamen Auge der Videokamera.
Es gibt in Slagnäs auch einen Campingplatz, der wohl geschlossen war, und einen kleinen Rastplatz. Dieser war zwar nicht völlig freigeräumt, aber eine Ecke, wo wir Bert abstellen konnten, haben wir gefunden. Dort schlugen wir unser Nachtlager auf und verbrachten den Abend wie üblich: Essen (nicht photogen), Bloggen, TV gucken …
Zum Schluss wie immer die Statistik, der Kartenausschnitt und ein kurzes Timelapse-Video von der Fahrt.
Unser Elch-Counter steht jetzt bei 11.
389 Kilometer sind wir an diesem Tag gefahren.
Auf der Karte sieht das so aus:
Und in Bewegtbildern sieht das so aus: